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zusammen mit einer lebenden Elster. Sie unternahm zahlreiche
Annäherungsversuche an den Vogel, mit dessen volkstümli
chem Ruf als launisch sie sich lange identifiziert hatte, bot ihm
Futter an und wandte sich in seiner eigenen Sprache an ihn,
die von einem Wissenschaftler des 18. Jahrhunderts in sieb
zehn Krächzer unterteilt und in französische Lautschrift über
tragen worden war. Würde sie bei dieser Begegnung flexibel
genug sein, um ihren Weg von der kodifizierten Information
zurück zur Erfahrung des Vogels zu finden und diese so mit
ihrer eigenen zu verbinden? Mind the Gap (1980) war die
berühmte Performance, bei der die Künstlerin nicht erschien;
oder genauer gesagt, erst erschien, nachdem eine Frauen
stimme sich für ihre Abwesenheit entschuldigt und eine Aus
wahl von Arbeitsnotizen über den unvollendeten Event ver
lesen hatte. Nachdem sie ihre eigene Ambivalenz gegen
über ihrem Auftritt zum Thema des Events gemacht hatte,
führte Finn-Kelcey die Begriffe des »Ersatz-Darstellers« und der
»leerstehenden Performance« ein - eine hübsche Täuschung,
die paradoxe Einblicke in das Phänomen der Macht erlaubt.
Falls mir der Leser nach diesen hastigen Streifzügen durch
das Werk so vieler Künstler immer noch folgt, möchte ich nun
ein paar Gedanken über das Leitmotiv äußern, unter dem der
Kurator dieses gewaltige historische Kompendium zusam
mengetragen hat. »Out of Actions: Zwischen Performance
und Objekt« - diese beiden Ausdrücke schließen wichtige
Verfahren ein. Abgesehen von der Einführung des Objekt
begriffs in einen Bereich, der sein Gegenteil zu repräsentieren
scheint, impliziert das hartnäckige kleine Wortspiel, daß etwas
Lebendiges vielleicht stirbt, sobald der flüchtige Event vor
über ist und nur die stofflichen Reste übrigbleiben. Indem
das Museum (oder die Institution) die Kategorie des Objekts
einführt, für die es eigentlich existiert und sich am besten
eignet, und dabei suggeriert, daß dieses Objekt das tote Er
gebnis von etwas Lebendigem ist, legt es gleichzeitig nahe,
daß dieser Prozeß immer den Sieg davonträgt.
Dennoch möchte ich die Frage gern jenseits solch deter
ministischer Schlußfolgerungen stellen und das Verhältnis
zwischen Performance und Objekt neu überdenken. Es ist
komplex, mit allen Paradoxien des Lebens durchsetzt und
ebenso vielfältig wie die Verfahren, durch die ein Objekt, eine
Substanz, ein Wort oder eine Geste wirksam werden oder
nicht. Schließlich gründet dieses Verhältnis nicht im Objekt,
sondern in einer Beziehung, in diesem Fall zwischen Künstler,
Werk und Zuschauer: eine Wirklichkeit, die die meisten
beschriebenen Arbeiten bestätigen.
Ein sensibler Augenzeugenbericht über einen flüchtigen Event
mag ein wertvolleres Relikt als jedes andere materielle Objekt