Kazuo Shiraga, Dom ni idomu (Kämpfen mit Schlamm), 1955. The Ashiya City Museum of Art and History
Enttäuschung - zum Ausdruck. »Die Hoffnungen, die
■Konzeptuelle Kunst« könne der allgemeinen Kommer
zialisierung, der destruktiv .progressiven« Tendenz des Mo
dernismus, entgehen«, schrieb sie, »waren größtenteils un-
begründet.«^^
Trotz des unersättlichen Appetits der Kultur-, Bewußtseins
und Theorieindustrien besteht die Hoffnung, nicht-vermarkt-
bare Kunst zu schaffen, auch weiterhin, wie Peggy Phelans
Aussage von 1993 belegt:
Performance lebt einzig und allein in der Gegenwart.
Performance kann nicht gespeichert, aufgezeichnet, doku
mentiert oder anderweitig in den Kreislauf der Darstellung
von Darstellung einbezogen werden: sobald dies ge
schieht, wird sie zu etwas anderem als Performance. In
dem Maße, wie Performance versucht, in die Ökonomie
der Reproduktion einzutreten, verrät und schmälert sie das
Versprechen ihrer eigenen Ontologie, Das Wesen der
Performance...entsteht erst durch ihr Verschwinden.'®
Ja und nein. Der zeitliche Augenblick der Handlung ver
schwindet. Die in der Aktion verwendeten oder daran be
teiligten Objekte jedoch bleiben bestehen. Ebenso wie die
Dokumentation, die nicht nur von Sammlern oder Museen
aufbewahrt wird, sondern bezeichnenderweise vor allem vom
Künstler selbst. Sogar die Künstler, die eine Vermarktung ihrer
Events mit aller Entschiedenheit ablehnten, haben Photo
negative aufgehoben, Kataloge erstellt, Künstlerbücher
herausgegeben und andere Relikte produziert, die mit der
Arbeit in Verbindung stehen. Wenn je ein Übergang zur
Vermarktung von Aktionen stattgefunden hat, dann war er
zunächst diskursiv und später assoziativ, indem die »Aktion«
dem theatralisierten und zuschauergerechten Zustand der
»Performance«« einverleibt wurde. Aber selbst wenn wir
annehmen, diese signifikante Verschiebung der diskursiven
Bedingungen von Kultur, auf die ich an späterer Stelle noch
näher eingehen werde, habe stattgefunden, »entsteht
Performance« nicht durch ihr Verschwinden, da gerade die
sozialen Forderungen nach Kommunikation und Erinnerung
eine objektive Form verlangen.
Objekte sind Werkzeuge des Lebens, die für das Leben not
wendig sind, um zu handeln und zu kommunizieren. Objekte
tragen die geschichtlichen Spuren von Aktion (Leben) von der
Vergangenheit über die Gegenwart und bis in die Zukunft.
Objekte sind keine Gebrauchsgegenstände an sich; vielmehr
17 Lucy Lippard, S/x Vears; The dematerialization ofthe art object
from 1966 to 1972, New York 1972, S. 263.
werden sie durch ihre Einordnung und Verwendung im
Zusammenhang mit den Aktionen, aus denen sie entstehen,
dazu gemacht-oder auch nicht. Die Kunstaktion will, daß wir
Kunstobjekte als Dinge begreifen, die ein .Machen in Aktion
.gemacht« hat. Wird man beispielsweise mit einem Objekt wie
einer Guillotine konfrontiert, denkt man automatisch an
Schmerz, Leid, Folter, Mord und Todesstrafe - und zwar als
etwas, das einer Person durch eine andere zugefügt wird. Das
Objekt Guillotine ist ein sehr eindringliches Beispiel für ein
Aktionsobjekt, das das Denken wieder auf Institutionen und
menschliches Verhalten rückbezieht. Aber alle Objekte funk
tionieren auf diese Weise, und nur deshalb verstehen wir ihre
Bedeutung und Verwendung. Was Kunstobjekten fehlt, und
was der Künstler in der Aktion wiederherstellt, ist genau diese
Relationalität zwischen «machen«, .handeln« und dem Kunst
werkcharakter als solchem. Der Part des Künstlers besteht
darin, die Bedeutung und Verwendung von Objekten durch
seine Aktionen zu verändern, um das Sehen und damit unsere
Aktion (und unser Denken) in der Welt neu zu erschaffen.
Kunstaktion ist insofern pädagogisch, als sie die Visualität
auffordert, zu den ursprünglichen Bedingungen des Mächens
und Betrachtens zurückzukehren und dann zur kommunika
tiven Erfahrung zwischen dem machenden Subjekt und dem
betrachtenden Subjekt fortzuschreiten. Wenn wir uns Objekte,
die aus Aktionen hervorgehen, als Kommissuren vorstellen,
die damit betraut sind, etwas zu tun (sie wirken allein durch
die Tatsache, daß sie in Verbindung stehen), dann bewahren
diese Objekte die Energie dieser Verbundenheit sowohl zur
ursprünglichen Aktion als auch zu unserer Rezeption - wobei
Objekte allerdings auch ästhetisiert, begehrt und fetischiert
werden können. Wenn wir uns Kunstaktionen als Ereignisse
vorstellen, die durch eine Subjektivität produziert werden, die
auf die Kommunikation mit einer anderen Subjektivität aus
gerichtet ist, dann könnten Handlungen in der Kunst ebenfalls
als Kommissuren begriffen werden, als aktives Bekenntnis
des Künstlers zu einer zwischenmenschlichen Verbindung.
Aktionskunst und Aktionsobjekte lehren uns, uns auf den Wert
des individuellen Subjekts, das Objekte schafft - sowohl
im engeren Sinn des Künstlers als Produzenten als auch in
dem viel weiteren Sinne der Erhebung des menschlichen
Subjekts über das Objekt -, als den höchsten aller Werte
zurückzubesinnen.
18 Siehe Peggy Phelans ausnehmend intelligentes Buch Unmarked:
The Politics of Performance, London -New York 1993, S. 146.