238
Guerrilla Art Action Group, Museum of Modern Art Action {Nr. 3),
18. November 1969, New York
als »lebendem Pinsel« 1959 eine bedeutende - und bislang
unterschätzte - Rolle spielten. Dieser Gedanke wird durch
Kleins eindrucksvollen Aufsatz »Le vrai devient realite« unter
mauert, in dem er seinem Wunsch Ausdruck verleiht, »auf der
Welt mein Zeichen zu hinterlassen« und die Sputen der Körper
auf seinen Bildern mit den »Schatten von Hiroshima« zu ver
binden, die »in der Wüste der atomaren Katastrophe...
Beweise darstellten, schreckliche unzweifelhafte Beweise,
und dennoch Beweise der Hoffnung für die (wenn auch imma
terielle) Permanenz des Fleisches.«^'* Kleins Ehrfurcht galt
nicht der technischen Macht von »Raketen, Sputniks und
Missiles«, sondern der »affektiven Atmosphäre des Fleisches
selbst... {als einer) starken und doch friedlichen Kraft
der...Sensibilität«. Klein veröffentlichte den Aufsatz in der drit
ten und letzten Ausgabe der deutschen Publikation ZERO im
Juli 1961. In der Originalausgabe ließ er die letzte Seite
seines Artikels verbrennen - durch Feuer entmaterialisieren.
Für Shiraga, Murakami und Klein besiegt gerade die
Körperlichkeit des menschlichen Körpers den technischen
und wissenschaftlichen Determinismus. Die Aktion ist der
Kern der Performance von ihren frühesten Manifestationen im
Action painting bis zu Gutai und den Happenings. In Snows
(Januar 1967) montierte Carolee Schneemann Bilder von in
Vietnam begangenen Grausamkeiten zusammen mit Farben
und anderen Darstellungen aus den Medien, um »die genozi-
den Triebe einer bösartigen, zerstörerischen Technokratie, die
Amok läuft gegen eine ganzheitliche, vollkommen ländliche
Kultur, zu konkretisieren und sichtbar zu machen.«^^ In diesem
Klima schrieb Jon Hendricks sein Manifest »Some Notes-'
vom 11. Dezember 1967, eine Abrechnung mit dem Kom-
merzialismus, dem Vietnam-Krieg und den Rassenunruhen; in
diesem Klima verfaßten Hendricks, Raphael Ortiz, AI Hansen,
Jean Toche und Ui Picard das »Judson Manifesto«, in dem sie
erklären, daß »die Aufgabe des Künstlers darin besteht, Kultur
umzustürzen, da unsere Kultur trivial ist«; in diesem Klima sag
ten Ortiz und Hendricks die Ausstellung »DIAS USA« in der
Judson Church ab, um gegen die Ermordung von Dr. Martin
Luther King Jr. zu protestieren; in diesem Klima legten sich
Toche und Hendricks als Demonstration gegen die Weigerung
des Museums, gegen den Krieg in Vietnam Stellung zu bezie
24 Yves Klein, »Truth Becomes Reality«, in: Yves Klein 1928-1962:
A Retrospective, Ausstellungskatalog, Houston - New York 1982,
S. 230-231.
25 Aus dem Programm für Snows, nachgedruckt in: Carolee
Schneemann, More Than Meat Joy: Complete Performance
hen, eine Stunde lang in den Haupteingang des Metropolitan
Museum of Art; und in diesem Klima bezeichneten sich Toche
und Hendricks am 4. März 1970 als Guerrilla Art Action Group
(GAAG), ein Kollektiv, das um den Begriff und die Praxis der
Gewaltlosigkeit organisiert war und es sich zum Ziel gesetzt
hatte, »die Gefahr von realer Gewalt, Unterdrückung und
Verdrängung symbolisch darzustellen« sowie durch Hinter-
fragung und Provokation »die Leute mit den Krisen unserer
Zeit zu konfrontieren«.
Für seinen Teil hatte der politische Aktivist Abbie Hoffman von
Künstlern genug über Aktionen gelernt, um ein Event auf die
Beine zu stellen, das am 24. August 1967 die New Yorker
Börse ins Wanken brachte. Damals warfen er und eine
Gruppe von etwa 12 Personen (einschließlich Jerry Rubin) von
der Empore über dem Parkett Dollarscheine auf die Börsen
makler; eine Aktion, die den Handel für einige Sekunden zum
Erliegen brachte, als sich die Broker in einem klassischen Bild
der Gier im Herzen des Kapitalismus auf das Geld stürzten.
Derartige Medienereignisse fanden ihren Höhepunkt in den
Störaktionen auf dem Parteitag der Demokraten im August
1968 und dem anschließenden Prozeß gegen »The Chicago
Seven«, In dem Maße, wie die politischen »Happenings- von
den Kunst-Happenings inspiriert waren, brachten sie auch fri
schen Wind in die Kunstaktionen. Einen deutlichen Beweis für
diese Wechselbeziehung liefert Terry Fox’ Defoliation Piece
(1970), das der Künstler selbst zu seiner »ersten politischen
Arbeit« erklärte:
Ich wollte die Blumen ganz kalkuliert zerstören. Durch
Einbrennen eines perfekten Rechtecks genau in der Mitte
würde es aussehen, als hätte sie jemand absichtlich zer
stört. Bei den Blumen handelte es sich um chinesischen
Jasmin, der vor fünf Jahren gepflanzt worden war und in
zwei Jahren hätte blühen sollen. Gleichzeitig war es auch
ein Theaterstück, Jeder schaut gerne dem Feuer zu. Es
knisterte und krachte wunderschön. Aber irgendwann
begriffen die Leute, was passierte - die Landschaft wurde
zerstört; Blumen verbrannten. Plötzlich waren alle still.
Eine Frau weinte zwanzig Minuten lang.*
Im Herzen des Vororts Berkeley lenkte Defoliation Piece die
Aufmerksamkeit direkt auf die Politik der »verbrannten Erde«,
Works & Selected Writings, hrsg. von Bruce McPherson, New
York 1979, S. 129.
26 Terry Fox, zitiert in: Carl E. Loeffler und Darlene Tong (Hrsg.),
Performance Anthology: Source Book of California Performance
Art, überarbeitete Auflage, San Francisco 19B9, S. 17.