Dünnscheißer wie Werner Erhärt, Guru Maharaji Ji oder das
Electric Light Orchestra« alle dasselbe gesagt haben könn
ten.«
Peppe reagierte auf die - in jedem Sinn - dramatische'
Verschiebung, die sich Ende der siebziger Jahre vollzog, als
Performance zur Unterhaltung wurde und sich von der star
ken Physikalität und aufgabenorientierten Arbeit weg
bewegte, die Willoughby Sharp in seinem bedeutenden
Aufsatz »Body Works« in in der ersten Nummer von Avalan-
che definiert. Das von Sharp und der Filmemacherin Liza Bear
herausgebene, wichtige Künstlerjournal spezialisierte sich auf
Beiträge zur internationalen Body art, zu Konzepten, Instal
lationen und Prozessen sowie zu anderen experimentellen
Techniken zwischen 1970 und 1976.'” Peppe erklärte Anderson
- und zwar völlig zurecht - zu der Performance-Künstlerin, die
diese Verschiebung von allen am deutlichsten einem breiten
Publikum zugänglich gemacht hatte, und deren eigene
Theatralik Formen der Erforschung des Körpers zuließ, die
nicht unbedingt den bitteren Beigeschmack von Opferung
trugen, der bisher mit Body art in Verbindung gebracht
wurde."*^ In dieser Hinsicht ist Anderson eine wichtige Über
gangsfigur, die aus den Sechzigern durch die Siebziger und
bis in die Achtziger hinein konstruktive Bewegung erzeugt.
Zahlreiche Künstler und Künstlerinnen, insbesondere Frauen
im Umfeld der feministischen Narrative performance - Joan
Jonas, Yvonne Rainer, Rachel Rosenthal, Martha Rosler, Falth
Wilding, Martha Wilson, Mary Beth Edelson - hatten im Laufe
der siebziger Jahre, ähnlich wie auch die Künstler Vito
Acconci, Dennis Oppenheim, David Antin, Bruce McLean,
Gilbert & George und viele andere, Text und Körper vermischt.
Aber wie bereits Peppe in seiner Karikatur dieser Zeit darge
stellt hat, wurden viele der Werke mit ideologischen, idiosyn-
kratischen, zwanghaften oder privaten Erfahrungen überflu
tet. Anderson hingegen vermittelte zwischen dem privaten
Selbst und dem öffentlichen Schauplatz, indem sie textge
stützte, theatralisch aufbereitete Arbeiten in Einklang mit den
zum Spektakel gewordenen Räumen des öffentlichen Lebens
aufführte. Darüber hinaus, so Valie Export, rüstete Anderson
den Körper mit den Prothesen der Technologie aus, mit
40 Ibid., S. 7.
41 Willoughby Sharp, »Body Works«, in: Avalanche, 1, Herbst 1970,
S. 14-17.
42 Für einen ausgezeichneten Artikel zum Thema 'Opferung' siehe
Jindrich Chapupecky, »Art and Sacrifice«, in: Flash Art, 80-81,
Februar-April 1978, S. 33-35.
Prothesen, die »nicht vom Kulturprozeß, von der zivilisatori
schen Entwicklung getrennt werden können«.“« Ferner griff
Andersons Geschichtenerzählen dem vor, was der französi
sche Theoretiker Michel de Certeau später als die Fusion von
Theorie und Praxis in der »Narrativisierung« erkannte, als die
zentrale »oppositionelle Praxis des Alltags«.'*'’
Andersons erste Aktionen aus den frühen siebziger Jahren
waren mit der Body art verwandt. 1972 inszenierte sie bei
spielsweise öffentliche Schlafarbeiten mit dem Titel The
Dream Betöre. Dabei schlief sie an öffentlichen Plätzen ein
und nahm anschließend ihre Träume auf, deren Inhalte (die
Anregung dazu gab ihr, wie sie erklärte, Vito Acconci) sie als
Material für die Geschichten, die sie erzählte, verwendete. In
derselben Zeit begann sie einzigartige Musikobjekte herzu
stellen, wie die Self-Playing Violin (1974), eine Geige, in der
sich ein Tonband mit einer Aufnahme des Instruments befand,
das entweder solo abgespielt werden konnte oder im »Duett'<,
wenn Anderson auf der Geige mitspielte. Duets on Ice
(1974-75) ist eine der ersten Arbeiten, in der Anderson sämt
liche Elemente, die schließlich ihren unverwechselbaren Stil
ausmachen sollten, kombinierte: elektronische Technologie,
Körperaktion und Erzählkunst In einer Matrix aus multimedia
ler Musik und Erzählung. Während dieser Arbeit spielte sie
Geige zu neunzigminütigen Kassetten, auf denen sie zuvor
»vor allem Cowboy-Songs« für die Aktion aufgenommen
hatte; dabei trug sie in Eisblöcke eingefrorene Schlittschuhe,
die ihr als Zeitmesser dienten: Wenn das Eis geschmolzen
war, verlor sie das Gleichgewicht und das Konzert war vorbei.
Zwischen zwei Liedern sprach ich von den Parallelen
zwischen Schlittschuhlaufen und Geigespielen: scharfe
Klingen auf einer Oberfläche, Gleichgewicht, Gleich
zeitigkeit, der konstante Zustand des Ungleichgewichts
gefolgt von Gleichgewicht gefolgt von Ungleichgewicht,
wie Gehen, wie Musik, wie alles.'**’
Mit ihrem bemerkenswerten Timing und ausgeprägten Sinn
für Humor konnte Anderson auf eine Art unterhalten, wie es
nur wenige Aktionskünstler verstanden. Humor befreit die
Phantasie von ihren Hemmungen und verrät und untergräbt
dadurch Macht.
43 Valie Export, »The Real and Its Double: The Body«, in: Discourse:
Theoretical Studies in Media and Culture, 11, Herbst-Winter
1988-89, S. 5.
44 Siehe de Certeau, »On the Oppositional Practices of Everyday
Life«, in: Social Text, 1, 3, Herbst 1980, S. 3-43.
45 Laurie Anderson, Stories from the Nerve Bible: A Retrospective
1972-1992, New York 1994, S. 40.