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Sherman Fleming, Something Akin to Living (Etwas Ähnliches wie Leben), 1979
gelegte Identität festzuhatten«.^^ Das Bemerkenswerteste an
Klaukes »Image« war sein cooles, unnahbares Auftreten, eine
Art der Selbstdarstellung, die durch seine körperliche
Erscheinung noch unterstützt wurde: groß, schlank, gutaus
sehend, schulterlanges Haar und provozierender Stil mit
engen Hosen, offenem Hemd und einem Haufen langer
Goldketten um den Hals. Klaukes Aura der Unantastbarkeit,
die durch seine Art sich zu kieiden noch verstärkt wurde, war
genau das Eiement seiner Identität, das die Performance The
Harder They Come, der ich 1978 im Student Culturai Center
in Beigrad beiwohnte, so eindringiich machte.
Ganz in Weiß, die engsitzende Hose in eiegante Cowboy
stiefei gesteckt, das Seidenhemd bis zum Bauchnabel aufge
knöpft, Goldketten und Amulette auf der nackten Brust, also
mit allen Codes der Selbstdarsteilung eines Rockstars verse
hen, betrat Klauke den Raum, in dessen Mitte ein Labyrinth
aus großen, in konzentrischen Kreisen angeordneten, durch
Schnüre miteinander verbundenen Betonklötzen ausgelegt
war. Musikalisch wurde Klaukes Auftritt von Jimmy Cliffs in
einer Endlosschleife aufgenommenem, berühmten Reggae
song »The Harder They Come« untermalt. Der Raum selbst
war halbkreisförmig, die Fenster gingen auf eine belebte, laute
Straße hinaus; die Dämmerung brach gerade herein und legte
sich über den Raum, der nur durch die Lichter der in unregel
mäßigen Abständen vorbeifahrenden Autos erhellt wurde.
Dieser urbane, komplizierte, extrem zurückhaltende, distan
zierte und allem Anschein nach völlig beherrschte Mann
suchte sich nun einen Weg durch die konzentrischen Kreise
aus Bausteinen, die so miteinander verbunden waren, daß sie
nur an bestimmten Stellen Zugang zu dem nächstkleineren
Kreis gewährten. Wenn der Künstler nicht aufpaßte, stolperte
er über eine Schnur. Während er seine Kreise zog, bewegte
sich Klauke immer heftiger zu der Musik. Je wilder er tanzte,
desto schwieriger wurde es für ihn, die Schnüre nicht zu
berühren und desto häufiger blieben seine schicken Stiefel in
dem Labyrinth hängen, bis sie sich hoffnungslos in den
Schnüren verfangen hatten, und das Gewicht und die
Zugkraft der Betonklötze ihn schließlich mit einem Krach
zu Boden rissen. The Harder They Come war ein einfaches
Stück. Und dennoch war es irgendwie faszinierend, diesem
beherrschten, artifiziellen, selbstbewußten und sexuell ambi
valenten weißen Mann zuzuschauen, wie er einen Hinder
nislauf inszenierte und diesen durch radikale schwarze
Musik hochpeitschte, die zwangsläufig alles, was seine
sorgsam konstruierte Selbstdarstellung vermitteln sollte,
überflüssig machte, behinderte, außer Kraft setzte und
schließlich aufhob.
Klauke hat sich eindeutig von der feministischen Performance
inspirieren lassen, wie auch Sherman Fleming, der 1976
ebenfalls eine Alternativpersona - »RodForce« - zum Leben
92 J. Fiona Ragheb, »Artists’ Biographies«, in: Rrose is a Rrose is a
Rrose, S. 210.