MAK
nings (1966) Richtlinien für Happenings definierte, diese 
Kunstform selbst bereits aufgegeben, um sich einfacheren 
Aktionen zuzuwenden, die er später als »Aktivitäten« bezeich- 
nete, 
Kaprow war bereits entmutigt durch die ausbleibenden ernst 
haften Reaktionen auf sein Happening Push and Pull: A 
Furniture Comedy for Plans Hofmann von 1963. Diese ausge 
klügelte Arbeit war ein Tribut an die Pädagogik des deutschen 
Künstlers, die sich mit der »stoßen-ziehen«-Dynamik der 
Bildebene beschäftigte, sagte ihr jedoch gleichzeitig den 
Kampf an. Push and Pull umfaßte so einfallsreiche und spie 
lerische Aktivitäten wie einen aus Nahrungsmitteln gewebten 
»Persischen Teppich«. Die Teilnehmer waren eingeladen, 
»sich quer durch den Raum einen Weg durch die Muster zu 
essen und beim Weitergehen neue zu hinterlassen«.’“ Als die 
Teilnehmer sich jedoch nicht ausreichend interaktiv auf das 
Event einließen, lautete Kaprows Erklärung: »Aus Berichten 
weiß ich, daß dieses Arrangement nicht optimal funktioniert 
hat. Im Umfeld einer Ausstellung sind die Leute nicht in der 
Stimmung, in den Kunstprozeß einzusteigen. Folglich ist diese 
Art von Arbeit in weiter Ferne von den Gewohnheiten und 
Ritualen der konventionellen Kultur sehr viel besser aufgeho 
ben.«”’^ 
Kaprows Idee zu seinen Aktivitäten geht ursprünglich auf 
1968-69 zurück, insbesondere auf Days Off Calendar (1969), 
ein neunmonatiges visuelles Kalender-Projekt, das seine eige 
nen Aktivitäten in diesem Jahr aufzeichnet und photo 
graphisch dokumentiert. Aktivitäten bestanden aus privaten 
Aktionen; diese werden von Teilnehmern ausgeführt, die sich 
zur Realisierung eines geplanten Events bereit erklärt haben. 
Die Inhalte waren von Aktion zu Aktion unterschiedlich, krei 
sten jedoch immer um Wahrnehmungsprobleme und um die 
Beobachtung der Durchführung bestimmter alltäglicher 
Handlungen. Die Unterschiede zwischen Kaprows Happe 
nings, interaktiven Environments und seinen Aktivitäten sind 
es wert, einer genaueren Betrachtung unterzogen zu werden. 
Die Happenings bestanden aus vielgestaltigen, komplexen. 
physisch anspruchsvollen, aufgeladenen und manchmal 
barocken Events, die eine Teilnahme des Publikums erforder 
ten. Sie konnten sich sogar zu extravaganten Strukturen 
auswachsen, die jene von Kaprow als »high jinks« bezeich- 
neten Ausgelassenheit hervorrief, an der er jedoch bald 
wieder das Interesse verlor.’^® In einem interaktiven Environ 
ment wie Yard (1961) drangen die Teilnehmer in einen ge 
bauten Raum ein, mit dem sie sich physisch und experimen 
tell auseinandersetzen mußten. In einem solchen Environment 
konnte man entscheiden, ob man sich tatsächlich auf eine 
Aktivität oder Aufgabe einlassen oder einfach nur Zusehen 
oder wieder gehen wollte. Happenings und Environments 
waren meist (jedoch nicht ausschließlich) öffentlich.’^'' 
Obwohl viele Einzelelemente in Kaprows Happenings und 
Environments seinen Aktivitäten vergriffen, unterscheiden sie 
sich doch grundlegend voneinander, und zwar insbesondere, 
weil die Aktivitäten von den beteiligten Individuen verlangten, 
Verantwortung zu übernehmen und sich zu gemeinsamen 
Handlungen zu verpflichten. Der interpersonale Vertrag, den 
diese Individuen miteinander schlossen, wiederholte auf einer 
intimen ästhetischen Ebene das Konzept, für das der 
Gesellschaftsvertrag in einem öffentlichen, politischen Rah 
men steht. Diejenigen, die sich zum Handeln verpflichteten, 
waren gezwungen, das Wesen ihrer Handlungen zu analysie 
ren, während sie als handelnde Subjekte beschäftigt waren. 
Gleichzeitig wurden sie zu Subjekten, die sich selbst als 
Objekte, die etwas tun, beobachteten. Der Vertrag als solcher 
funktionierte wie eine Kommissur, die alltägliche Aktivität mit 
ästhetischer Aktivität verknüpfte.”® Die meisten Aktivitäten 
verlangten eine intensive Beobachtung phänomenologischer 
Zustände des Körpers - allein oder im sozialen Austausch. 
Aufgrund der Fähigkeit des menschlichen Geistes, an seinen 
Handlungen gleichzeitig teilzunehmen und diese zu beob 
achten, machen Kaprows Aktivitäten die wechselseitige 
Bedingtheit kultureller Werte durch die künstlerische Arbeit 
und ihre Rezeption, wie auch die komplexen Interaktionen 
zwischen Biographie und sozio-historisohem Kontext perma- 
132 Siehe »When the Dust Settles: Mark Boyle Interviewed by Mark 
Bloch«, in: High Performance, 4, 3, Herbst 1981, S. 73-74. 
133 Allan Kaprow, unveröffentlichtes Interview mit der Autorin, 27. 
März 1981. 
134 Allan Kaprow, »Just Doing«, in: Tulane Drama Review, Herbst 
1977, S. 314. 
135 Ibid., S. 316. 
136 Allan Kaprow im Gespräch mit der Autorin, 23. Oktober 1997. 
Sofern nicht anders angegeben, stammen alle weiteren Zitate 
von Kaprow aus diesem Gespräch. 
137 Siehe Michael Kirbys detaillierte Analyse der Strukturen des 
Happenings in zwei wichtigen Büchern: Happenings, New York 
1965, und The Art of Time, New York 1969. 
138 Zum Thema »Gesellschaftsvertrag« und partizipatorische 
Interaktion siehe mein Projekt »Lettres/Livres« von 1982 (das 
stark von Kaprows Arbeit beeinflußt war), in: Questions 
1977-1982, San Francisco 1982. S. 78-85. Für eine theoreti 
sche Betrachtung des Verhältnisses zwischen 
Performance-Kunst und Gesellschaftsvertrag siehe Kathy 
O'Dells in Kürze erscheinendes Buch Contract with the Skin: 
Masochism, Performance Art, and the 1970s, Minneapolis 1998.
	        
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