(rechts) Atsuko Tanaka, Elektrisches Kleid, 1956
(unten) Atsuko Tanaka, im Atelier in einem Theaterkostüm
mit zahlreichen elektrischen Glühbirnen, April 1957
ten wie Abzieh-Bild (1957), deren empfindliche und durchlässige
Oberflächen in enger Beziehung zu seinen Performances
standen. Obwohl sie konservativer ais die konzeptueilen oder
performativen Werke waren, beziehen sich diese Bilder auch
auf Shimamotos Experimente der frühen fünfziger Jahre.
Eines der metaphorisch aufgeladensten Werke der Gutai-
Künstler ist Atsuko Tanakas Elektrisches Kleid (1956), eine kraft
volle Verbindung der Tradition des japanischen Kimono mit
moderner industrieller Technologie. Bevor sie diese Arbeit kon
zipiert hatte, war Tanaka in einem überlebensgroßen Papier
kleid aufgetreten, das schichtweise abgestreift wurde, nicht
unähnlich dem Abblättern der Gemälde Murakamis; sie
wurde schließlich bis auf ein Trikot enthüllt, das mit blinken
den Lichtern ausgestattet war. Tanaka begann mit den Ent
würfen zum Elektrischen Kleid 1954, als sie in einem kleinen
Notizbuch eine geradezu prophetische Verbindung zwischen
elektrischen Drähten und den physiologischen Systemen des
menschlichen Körpers skizzierte. Anhand des Gerüsts der
menschlichen Figur fertigte sie Dutzende von kleinen Zeich
nungen als Pläne für die Verlegung der Drähte an, für eine
Bekleidung, die das System der Blutgefäße und Nervenstränge
widersplegelte. Darüber hinaus machte sie eine Gruppe von
zwanzig großformatigen Zeichnungen, die in schematischer
Form ein Diagramm des Elektrischen Kleides enthielten und
seine Beziehung zum menschlichen Körper andeuteten.
Nach der Herstellung der eigentlichen Skulptur kleidete sie sich
in der Tradition der japanischen Hochzeitszeremonie. Hunderte
in den Primärfarben bemalte Glühbirnen leuchteten entlang
der Adern und Nervenbahnen ihres Körpers. Als das Elektri
sche Kleid und die dazugehörigen Zeichnungen in den spä
ten fünfziger Jahren zusammen ausgestellt wurden, wurde ver
ständlich, in welcher Weise Tanakas pseudowissenschaftliche
und konzeptuelle Basis ihre Aktivitäten von denen der ande
ren Gutai-Mitglieder unterschied. Diese Arbeit antizipierte deut
lich die feministische Kunst der siebziger Jahre sowie den
künstlerischen Einsatz des eigenen Körpers in gefährlichen
Situationen.
Was für die Gutai-Künstler in der Mitte der fünfziger Jahre mit
dem totalen Angriff auf die Tradition der Malerei begann, hatte
sich am Ende des Jahrzehnts in eine traditionellere, kom
merzielle Ausrichtung der kreativen Aktivitäten der Künstler ver
wandelt. Die Tatsache, daß von den meisten dieser Künstler
eine sehr viel größere Anzahl von Arbeiten aus den späten fünf
ziger und frühen sechziger Jahren existieren als aus der ent
scheidenden Phase ihrer ersten Innovationen fünf Jahre
zuvor, belegt ihre veränderte Haltung gegenüber dem eigent
lichen Kunstobjekt. Es ist besonders schmerzlich, daß die betei-