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dringen...die natürliche Beziehung zwischen Pflanzen und
Tieren zu untersuchen«. Sherk erklärte, Public Lunch sei
eigentlich auf eine Erfahrung zurückzuführen, die sie 1970 in
New York gemacht habe, als das Modemagazin Made
moiselle sie zur »Frau des Jahres« gekürt und sie während
ihres Aufenthalts im Waldorf-Astoria erkannte hatte, wieviel
»Verschwendung und Steifheit« sie hier umgab. Nach Public
Lunch arbeitete sie dann regelmäßig mit Tieren und ver
schmolz so ihre interessensgebiete Performance, Ökologie
und Installation.
Vielleicht ist ein kosmogonischer Ansatz am geeignetsten, um
sich Bonnie Sherks Arbeit zu nähern. Denn sie hat sich nicht
nur mit der Frage des Ursprungs oder der Entstehung von
Welten auseinandergesetzt, sondern zugleich Welten für die
Bedürfnisse anderer geschaffen. In einer Form, die an die
bekannte Studie der Flarvard-Psychologin und Feministin
Carol Gilligan erinnert, die das Fürsorge-Ethos der Frau als
emphatisches Eingehen auf und mit anderen untersucht,
erfüllte Sherk in all ihren Arbeiten die Rolle der sorgenden
Mutter.
Jeder Sonnenstrahl
trägt Bienen in sich. Dann beginnt alles zu summen und der
eigene Kopf wird zu einem Bienenstock, zum Bienenstock der
Sonnengeräusche,
- Gaston Bachelard, Die Poetik des Raums
Mark Thompson startete sein Projekt Live-In Hive 1976.
inspiriert von Gaston Bachelards poetischer Verbindung der
Energie von Sonne, Raum und Leben, wie sie durch die
umherschwirrenden Bienen versinnbildlicht wird, mit den
phänomenologischen Bedingungen menschlicher Erfahrung,
stellte Thompson sich einen Bienenstock als gemeinsame
Lebenssituation vor. Erbaute einen gläsernen Bienenstock, in
den er seinen Kopf stecken konnte und der so konstruiert war,
daß er einundzwanzig Tage lang -darin« leben konnte. In die
ser Konstruktion hatten die Flonigbienen freien Zugang nach
draußen, sie konnten sich innen ungehindert bewegen,
Waben anlegen, kurz, sie konnten in Beziehung zum Kopf des
Künstlers all ihren üblichen Aktivitäten nachgehen. Thompson
beabsichtigte, in den drei Wochen seines -Bienenlebens« mit
Flilfe einer automatischen Einzelbild-Filmkamera festzuhalten,
wie sich der visuelle Raum um seinen Kopf nach und nach
verändern würde, wenn die Bienen den Stock mit Waben füll
ten. Kurzzeitig hatte er sogar die Idee, den Stock zu einem
bequemeren Lebensraum umzubauen. Sein Körper sollte in
einer Salzlösung schwimmen, und seine Ausscheidungen
durch ein Filtersystem abgeleitet werden, während sein Kopf
in einem 5 Meter langen Gang mit 40 cm Durchmesser
stecken würde, und die Bienen durch ein Maschendrahtrohr
nach draußen fliegen könnten. Ernähren wollte er sich mit
Wasser und flüssiger Proteinnahrung. Neben der visuellen
Dokumentation plante der Künstler auch, seine Eindrücke und
Träume in den drei Wochen auf Band aufzunehmen. Zum Ab
schluß wollte Thompson einen Sechzehn-Millimeter-Tonfilm
drehen, der sein Zeiterlebnis während der einundzwanzig
Tage widerspiegeln sollte.
Live-In Hive war ein visionäres Projekt, das seit seiner
Konzeption partiell realisiert wurde, jedesmal, wenn Thomp
son seinen Kopf für kurze Zeit in den Bienenstock steckte. Die
Idee der Immersion war auch Thema seines Films Immersion,
den er gemeinsam mit dem Künstler Reese Williams zwischen
1977 und 1978 drehte. Diese bis heute unvollendete Arbeit soll
Thompsons Vorstellung über das Wesen des skulpturalen
Raums und dessen Beziehung zu seiner Arbeit mit den Bienen
zum Ausdruck bringen. In Immersion ging es dem Künstler vor
allem um eine (als ausgedehnte filmische Untersuchung ange
legte) Visualisierung des Wesens des physischen und
psychologischen Raums, sowohl in Hinblick auf die Bedingun
gen von Materie wie auch als von Tausenden umherschwirren
den Bienen erzeugte Materie/Raum/Zeit. Die Schlußszene des
Films zeigt das eigentliche -Eintauchen« von Thompsons Kopf
-der nach und nach von einem Bienen-schwarm bedeckt wird
- in diesen »Teilchen-Raum«. Um die Bienen in die Nähe sei
nes Kopfes zu locken, befestigte Thompson einen winzigen
Käfig mit der darin gefangenen Bienenkönigin in seinen Haa
ren. Die Bienen schwärmten aus, um ihre Königin zu be
schützen, bildeten lange, schwere Trauben aus schwirrenden
Insekten, die sich schließlich auf Thompsons Kopf und Schul
tern niederließen und ihn wie ein Kettenpanzer bedeckten.
Um seine Sicht des »Teilchen-Raums« adäquat einfangen zu
können, achtete Thompson darauf, die Filmgeschwindigkeit
an die sich ständig verändernde Intensität der Bienenflug
aktivität anzupassen. Zu Beginn des Films sieht man einen
leeren, blauen Himmel, der mit vierundzwanzig Bildern pro
Sekunde gefilmt wurde. In dem Maß, in dem sich die Flug
aktivität erhöht, verändert der Künstler die Aufnahme
geschwindigkeit nach und nach auf zwei Bilder pro Sekunde.
Am Ende, als die Tiere sich zu Trauben zusammenschließen
und seinen Kopf umkreisen, verlangsamt er die Frequenz
dann auf 1,5 Bilder pro Sekunde. In dem Moment, wo sein
Kopf völlig bedeckt ist, kehrt der Film zu den üblichen vier
undzwanzig Bildern pro Sekunde zurück.
Ich kann nicht genug betonen, wie deutlich sich Thompsons
Lebens- und Arbeitsumgebung in Live-In Hive wiederfand und