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John Latham, Soft Skoob (Weiches Skoob), 1964 
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und der Lisson Gallery, London 
hender Künstler wie Mario Merz, Alighiero e Boetti und Pier 
Paolo Calzolari eine zeitliche Komponente aufwiesen, unter 
suchten Kounellis und Pistoletto die Rolle des performativen 
Akts doch tiefgehender und eindringlicher. 
Zwei Künstler zwischen den Kategorien 
Trotz der bahnbrechenden Arbeiten, die der englische Künst 
ler John Latham und der Amerikaner James Lee Byars unab 
hängig voneinander in den sechziger Jahren schufen, sind ihre 
Leistungen bis heute nicht voll gewürdigt worden, zum Teil, 
weil sie nicht in die stilistischen Kategorien paßten, in die die 
Nachkriegskunst insgesamt eingeteilt wurde. Im Zentrum von 
Lathams Arbeiten stand das Buch. Seine zielgerichtete 
Obsession, Bücher - in denen die Geschichte der Mensch 
heit aufbewahrt ist - zu benutzen, zu recyclen und neu zu defi 
nieren, unterschied ihn radikal von den anderen amerikanischen 
und französischen Assemblagekünstlern, mit denen er häu 
fig in Verbindung gebracht wurde. Latham nannte die Skulp 
turen, Assemblagen und Aktionen, die er mit Büchern 
machte, skoob (books rückwärts geschrieben). Obwohl die 
ser seltsam exhibitionistische Einsiedler mit der Assemblage, 
dem Nouveau Realisme und der Pop art in Verbindung 
gebracht wird und sich sogar in den sechziger Jahren an eini 
gen der wichtigsten Ausstellungen dieser Strömungen betei 
ligte, weichen seine Arbeiten jeder dieser stilistischen Kate 
gorien aus. Vielleicht ist das der Grund, warum Latham - trotz 
derTragweite seiner künstlerischen Ambitionen und seines Ein 
flusses, besonders in England, wo er durchaus bekannt ist- 
immer unterschätzt wurde. 
Lathams konzeptuell motivierte Arbeiten mit Büchern waren 
ein Ergebnis seiner ausgefeilten theoretischen Positionen. In 
den frühen fünfziger Jahren hatte er zwei Wissenschaftler - 
die Astronomen Olive Gregory und Anita Kohsen, die in Ox 
ford Tierverhaltensforschung studiert hatten - getroffen, die 
unterschiedliche Disziplinen in einer neuen Wissenschaft 
zusammenführen wollten, die sie »psychophysikalische Kos 
mologie« nannten. 1958 gründeten sie das Institut zur Unter 
suchung mentaler Bilder (ISMI), dessen Ehrengründungsmit 
glied Latham war. 1959 veröffentlichte das Institut ein Buch 
mit dem Titel The 0-Structure: An Introduction to Psycho- 
physical Cosmology, und 1960 begannen sie die Zeitschrift 
Cosmos herauszubringen. Die Theorien, die unter der Leitung 
des ISMI verbreitet wurden, hatten einen tiefen Einfluß auf Lat 
hams künstlerische Entwicklung. 
39 John A. Walker, John Latham: The Inddental Person - His Art 
and Ideas, Middlesex 1995. 
r— 
Ende der fünfziger Jahre benutzte Latham eine Spritzpistole, 
um das zu entwickeln, was er den Quantom-of-mark-Zugar\g 
zur Form nannte, der den Einfluß von Gregory und Kohsen 
widerspiegelte. 1958 begann er Arbeiten zu machen, bei denen 
er Bücher benutzte. John A. Walker sagt dazu: »Unter Außer 
achtlassung der Bedeutung der Wörter auf der Seite war Lat 
ham von der Ähnlichkeit der Form - schwarze Zeichen auf einer 
weißen Oberfläche - zwischen gedrucktem Text und jenen 
Staubwolken-Bildern fasziniert, die er mit der Spritzpistole 
gemacht hatte. Zunächst scheint die Wahl der Bücher zufäl 
lig gewesen zu sein. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ihm 
die vielfältigen Möglichkeiten und Implikationen seiner Wahl 
klar wurden.«^® 1960 wurden Lathams Arbeiten zum ersten Mal 
in den USA in der Ausstellung »New Forms, New Media« 
gezeigt, die in der Martha Jackson Gallery stattfand. In die 
sem Jahr machte er auch Filme mit Titeln wie Unclassiiied Mate 
rial und Unedited Material From the Star. Lathams Interesse 
am Filmemachen, an Quantenphysik und Mathematik sorgte 
für die dichte, oft auch unverständliche Qualität seiner Arbei 
ten, die sich auch in seinen Assemblagen und seiner späte 
ren Performance Skoob Towers widerspiegelte. 
Die Jahre 1961 und 1962 waren für Latham außerordentlich 
produktiv. 1961 nahm er mit seinen Bücherarbeiten in der wich 
tigen Ausstellung »The Art of Assemblage« teil, die William C. 
Seitz für das New Yorker Museum of Modern Art kuratierte. 
Im darauffolgenden Jahr nahm er an der Ausstellung »The New
	        
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