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Vito Acconci, Command Performance (Befehls-Performance), 
1974. San Francisco Museum of Modern Art, Accessions commitee 
Fund: Geschenk von Mrs. Robert MacDonnell, Byron R. Meyer, dem 
Modern Art Council, Norman C. Stone und dem National Endow- 
ment for the Arts 
such, mit seinem Publikum übereine räumliche Trennung hin 
weg zu kommunizieren. Da der Betrachter Acconci nicht sehen 
konnte, mußte er sich abstrakt mit ihm auseinandersetzen; 
durch die Art der Monologe, die Acconci beim Masturbieren 
von sich gab, hatte die Begegnung jedoch durchaus intimen 
Charakter. Obwohi die psychologische Intensität der Perfor 
mance durch den Akt der Masturbation entstand, behauptete 
er, daß ihm »die Idee mit der Masturbation erst eine Woche 
vor Aufführung des Stücks« gekommen sei.'= 
Die Umkehrung der Rolien von Künstler und Betrachter, die 
sich in Seed Bed angekündigt hatte, erreichte in Command 
Performance, einer Performance mit Video, die im Januar 1974 
in der Greene Street 112 in New York aufgeführt wurde, ihren 
Flöhepunkt. Kate Linker beschreibt, daß Acconci in dieser Per 
formance die vorhandenen drei Säuien dazu benutzte, um »die 
Galerie mittels dieser in einer Übertragungslinie angeordne 
ten >Austauschpunkte< in zwei Flälften zu teilen. Am Fuß der 
ersten Säule war ein Bildschirm angebracht, der dem von einem 
Spot beleuchteten Stuhl gegenüberstand (Eine) Video 
kamera, die auf den Stuhl gerichtet war, übertrug das Bild auf 
einen weiteren Bildschirm an der dritten Säule der Reihe. An 
den Fuß dieser Säule legte Acconci einen Teppich, auf dem 
es sich das Publikum bequem machen konnte.« Linker 
schreibt weiter, daß der Künstler die Zuschauer mit »Komm’ 
her, Baby, bewege dich ... komm in den Spot... dieser Stuhl 
nur gehört dir allein ... nimm ihn, Baby,... zeig es ihnen...« zur 
Teilnahme aufforderte, was damit endete, daß sich der Zu 
schauer schließlich als Supermann verwirklichen sollte (»Du 
wirkst dort so riesig ... überlebensgroß ... / Du siehst dort be 
stimmt großartig aus«). Im Zusammenspiel mit seinem Pub 
likum gestand Acconci, daß sein Werk bisher »zu privat 
[gewesen war]... ich hatte Angst, aus mir herauszugehen ... 
die Welt zu entdecken ... du kannst mir zeigen, wie man stark 
ist... groß ... öffentlich.« 
In dieser Performance wurde der Betrachter selbst zur Auf 
führung und nahm schließlich den Platz von Acconci, dem 
Künstler, ein. im Video wechselt Acconci sein Geschlecht, wird 
vom Gehorchenden zum Befehlenden und erteilt dem 
Betrachter Befehle: »Wie ein kleiner Flund ... spring auf den 
Stuhl... setz dich auf, komm zu mir.../zeig ihnen den Flintern 
... zeig mir den Flintern ... jetzt machst du, was ich immer tun 
mußte... wedle mit dem Schwanz.«™ Acconci kreierte so eine 
neue Art von strukturellem Environment, eine Konfrontation, 
75 Vito Acconci, Interview mit Robin White, in: View, 2, 
5-6, Oktober-November 1979, S. 23. 
in der der Betrachter als Requisit in einem sadistischen Spiel 
manipuliert wird, wahrend andere Betrachter dies voyeuristisch 
auf dem zweiten Bildschirm verfolgen. Im gesamten Video 
erscheint Acconci lediglich als Sprecher auf dem Bildschirm, 
der gegenüber dem Stuhl angebracht ist. 
1968, ein Jahr bevor Acconci seine erste Performance auf 
führte und Nauman Performance Corridor ausstellte, schuf 
Mowry Baden / Walk the Line, eine Plastik, bei der der Betrach 
ter einen etwa sieben Meter langen Gang mit einer plastischen 
»Linie« zwischen den Beinen entlang gehen mußte. Badens 
Arbeiten zwangen das Publikum in unangenehme Situationen, 
in denen sein Interesse an der Kinästhesie - an physischen 
Wahrnehmungen und den Veränderungen neuromuskulärer 
Prozesse während der körperlichen Bewegung durch das Werk 
- zum Ausdruck kam. In Seat Belts (1969-71) untersuchte 
Baden den Unterschied zwischen dem Gefühl, das man emp 
findet, während man mit einem um die Taille geschlungenen 
Band am Boden festgebunden ist und in einer Art Kreis geht, 
und der Vorstellung, wie es sich anfühlen würde. Seine 
Absicht war, die vorhandenen »Körperprägungen« der Be 
trachter zu manipulieren, um ihre Gleichgewichtswahrneh 
mungen durcheinanderzubringen; in plastischer Flinsicht 
strebte er die Erzeugung neuer »sensorischer Prägungen« an. 
Bei Instnjment, einem etwa fünf Meter langen Gang aus Alumi 
nium und Stahl mit einer wellenförmigen Schiene für den Kopf, 
beschränkte sich die Mitwirkung des Betrachters auf Augen 
und Kopf. Beim Durchschreiten dieses visuellen Korridors nahm 
das Gehirn des Betrachters eine Reihe von wellenartigen 
Verengungen und Erweiterungen wahr. Badens Experimente 
mit plastisch-psychologischen, körperorientierten Arbeiten 
Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre übten 
großen Einfluß auf andere Künstler wie Charles Ray und Chris 
Bürden aus, die beide seine Schüler waren. 
Im Unterschied zu seinem Lehrer, der sein Leben lang relativ 
unbekannt blieb, zog Chris Bürden bereits zu Beginn seiner 
Laufbahn ein außergewöhnliches Maß an internationaler Auf 
merksamkeit auf sich. Im Jahr 1971, als er noch an der Uni- 
versity of California in Irvine studierte, schuf Bürden ein Werk, 
das weit über seine bescheidenen Ursprünge hinaus bekannt 
werden sollte. Five Day Locker Piece, die Abschlußarbeit sei 
nes Kunststudiums, bestand darin, daß ersieh fünf Tage lang 
in ein 60 x 60 x 90 cm großes Schließfach einschließen ließ. 
Im Schließfach darüber befand sich eine Flasche mit Wasser, 
76 Vito Acconci in: Kate Linker, Vito Acconci, New York 1994, 
S. 61-62.
	        
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