geglaubt wird, ein zufälliges, launisches Verschieben und Umformen, sondern im
Großen sind das gesetzmäßige Vorgänge. Es handelt sich der Frau dabei immer um
das erneute Bestreben, in neuer Weise anziehend zu sein. Die alte Umgebung wirkt
irgendwie nicht mehr, irgend ein lähmender Druck nähert sich allmählich bedrohlich...
Jetzt setzt die richtige weibliche Frau ein und — ändert! Sie verschiebt Formen,
Farben. Sie schafft Neues, in dieser Art und Verbindung noch nicht Dagewesenes.
Sie wird schöpferisch. So wirkt jedes kleine Mädchen, das ein neues Band in neuer
Art trägt, schöpferisch tätig. Also deshalb immer nur anders und wieder anders. Was
oben war, hinunter, und was unten war, hinauf! Was links, nun rechts, was kurz, nun
lang, was dick, jetzt dünn und so fort ...I Nun, das wäre ja gar nicht schwer und
als Aufgabe kinderleicht zu lösen. Es wäre einfach das Bestehende nach einem
gewissen Zeiträume ins Gegenteii zu verwandeln. Und das Tempo davon würde bloß
durch die Zugehörigkeit zu einer jeweiligen Kulturstufe zu bestimmen sein. Also in
New York ginge es damit etwas schneller als in einer Kleinstadt.
So ist es aber nicht. Es kommt noch etwas ganz Gewisses und Bestimmtes hinzu.
Und dieses Etwas greift ständig, unablässig und recht entschieden in die Räder
dieses Uhrwerkes. Immer irgendwie korrigierend. Ist das eine der große Motor,
so ist das andere der Steuermann, der die Richtung ganz genau bestimmt. Kurz:
Die Entwicklung der Mode wird immer von dem gelenkt, was wir schlechthin
„Geschmack“ nennen.
Was ist das? Geschmack? Es ist in jedem von uns, nur bei dem einen mehr und
bei dem anderen weniger vorzufinden. Oder wahrscheinlich besser gesagt; Bei dem
einen versteckt, bei dem anderen offen vorhanden. Dieses „Es“, dieses ästhetische
Agens, möchte ich den Schönheitssinn nennen. Ein Sinn, der sich kritisch und
schöpferisch betätigt und selbst auch dann schöpferisch ist, wenn er kritisch ist. Wie
der Vogel seinen Gesang, die Blume ihren Geruch, hat der Mensch diesen Sinn.
Seien wir froh und dankbar, daß es so ist, daß es diesen Sicherheitskoeffizienten
gibt. Durch ihn wird diese große Waage immer wieder ausbalanciert. Das größte
Malheur vermieden.
Ich deutete schon vorhin an, wie die Mode sich auf mehr, als bloß auf die Klei
dung auswirkt. Und nun möchte ich endlich wagen, es auszusprechen. Daß alles,