Zur Geschichte der griechischen Keramik.
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in einer gewissen Gedankenarmuth begnügte, sind gereihte Lotos-Knospen und Blüthen,
sowie als etwas besonders Charakteristisches Granatapfelfriese, die sonst nur ganz vereinzelt
Vorkommen. Die Palmetten, welche an die Henkel ansetzen, werden wir wie die ganze
Form des Gefässes in der attischen Keramik wiederfinden. Auf dem Grunde des Innern
zeigt unsere Schale eine Rosette; diese rein ornamentale Verwendung des Schaleninnern ist
in Kyrene durchaus vereinzelt; gewöhnlich wird es für figurale Darstellungen in Anspruch
genommen, die ebenso sehr korinthischen als aegyptischen Einfluss verrathen, gewöhnlich
genrehaft nichtssagend und in der Ausführung unbehilflich sind. Eine erfreuliche Aus
nahme macht die berühmte Arkesilasschale im Louvre, ein wahres Cabinetstück antiker
Genremalerei, in dem der Maler mit patriotischem Stolze sein Vaterland verherrlicht hat.
Da sitzt auf einem Schiffe der König Arkesilas — wohl der zweite seines Namens — und
beaufsichtigt seine Sclaven, welche das Silphion, die wunderbare Heilpflanze, deren
schwunghaftem Exporte Kyrene seinen Reichthum verdankte, auf einer grossen W age
abwägen, in Säcke verpacken und in den unteren Schiffsraum tragen. Vögel, welche
durcli die Luft fliegen oder sich auf einer Schiffsrae schaukeln, ein Affe, der hier vergnüg
lich sitzt und anderes Gethier vervollständigen den märchenhaften Eindruck, den das Ganze
hervorrufen will. Diese Schale, sowie eine zweite, auf welcher Franz Studniczka über
zeugend die Nvmphe Kyrene mit der Silphionstaude und dem Hesperidenzweig nachge
wiesen hat, verweisen die wenig umfangreiche Classe mit Bestimmtheit nach dem welt
entlegenen Kyrene.
In jeder Hinsicht einen ausserordentlichen Fortschritt gegenüber den bisher be
sprochenen Gattungen bedeuten die Caeretaner Vasen. Von dieser in wenigen Museen ver
tretenen Classe, die nur Hydrien kennt, besitzt unsere Sammlung zwei Exemplare (Nr. 217
und 218), darunter das Hauptstück. Die Caeretaner Vasen sind in Verzierungsweise, Dar
stellungen und Technik die eigenartigste Blüthe der archaischen Keramik ausserhalb Athens;
etwa gleichzeitig mit den attischen Vasen des ausgebildeten schwarzfigurigen Stiles sind
sie zum Theile alterthümlicher, zum Theile freier als diese. Die Form der Gefässe ist
noch eine sehr gedrückte, weit entfernt von dem Ebenmaasse der attischen Erzeugnisse.
Das Ornament macht schon entschiedenen Anlauf zu tektonischer Bedeutung, indem es
die einzelnen Gefässtheile hervorhebt und in ihren Functionen bestimmt. Allerdings tritt
es noch in einer ziemlich massigen Gestalt auf. Das Hauptmotiv bilden abgerundete Blätter,
die an beiden Hvdrien sich über den Fuss herabsenken, als Rosette dem Mündungsinnern
entspriessen, die Ansätze der Henkel kranzartig umgeben, bei der kleineren Hydria auch
die Schulter bedecken. Das ist aber nur ein kleiner Theil des Ornamentschatzes dieser
Vasen, mit dem verglichen der attische des schwarzfigurigen Stiles verkümmert und kleinlich
stilisirt aussieht. Da finden wir in seltsamer Vereinigung noch die geometrischen Haken
kreuze, grosse, energisch gezeichnete Volutenbänder mit Lotosblüthen und Palmetten
(Nr. 218), Lotoskreuze (Nr. 217), die in der gleichzeitigen Keramik Attikas schon längst
aufgegeben sind, Friese mit Bukranien, wie sie sonst erst die hellenistische Kunst kennt,
und als Etwas, dessen naturalistische Zeichnung in dieser Zeit geradezu verblüffen muss,
auf der Schulter von Nr. 217 die sich kreuzenden Oelbaumzweige. Ebenso individuell wie
die Ornamente sind die figuralen Darstellungen, die einen, ausnahmsweise (Nr. 217) zwei
Streifen unter den Henkeln einnehmen. Die Vorderseite enthält geschlossene Compositionen,
die Rückseite, welche durch die vom Henkelansatze ausgehende Palmette wieder in zwei Theile
zerschnitten wird, Ergänzungen des Hauptbildes (wie bei Nr. 217 und 218) oder unter
geordnete Figuren. Die Zeichnung ist gewöhnlich sorgfältig, der Stil kann ebenso gut