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Volltext: Die Sammlung antiker Vasen und Terracotten im K. K. Oesterreich. Museum

XIV 
Zur Geschichte der griechischen Keramik. 
archaisch gebunden, als frei entwickelt und lebendig genannt werden. In der Wahl und 
Auffassung der Darstellungen schlägt überall ein derber Volkshumor durch. Bewundern wir 
an dem Gefässe Nr. 217, auf welchem das Abenteuer des Herakles bei Busiris dargestellt 
ist, die groteske Kühnheit der Zeichnung, besonders in der fast ungriechisch anmuthenden 
Hauptgruppe mit ihren sich schneidenden Linien, die gelungene Charakteristik der Aegypter 
und Aethiopier, sowie des Herakles als eines muskelstarken, etwas täppischen Riesen, so 
gibt uns das Bild der anderen Hydria, dessen wirkliche Bedeutung man erst spät aus 
einer Hülle von Absonderlichkeiten herausgeschält hat, ein Beispiel unter mehreren dafür, 
wie originell die Caeretaner Hydrien in der Auffassung der Mythen und der Typen 
geschichte sind. Während Hephaistos sonst durchgehends als ein gereifter, bärtiger Mann 
gebildet wird, erscheint er hier als Knabe; seine Lahmheit, welche höchstens die statua 
rische Kunst leise andeutete, w'ird in derbsinnfälliger Weise durch verkrüppelte Füsse, 
förmliche Thierpranken wiedergegeben. Als eine dritte Merkwürdigkeit der Caeretaner 
Vasen nennen wir ihre Vorliebe für die Buntheit, welche sie durch reichliche Anwendung 
von Roth und Weiss erzielen. Man muss nur einmal die Hydria mit der Rückkehr des 
Hephaistos, bei der die Malerei so frisch und wohlerhalten ist, als hätte das Gefäss erst 
gestern die Werkstätte verlassen, im Original gesehen haben, um sich eine Vorstellung 
von der decorativen Wirkung dieser Vasen machen zu können. Die Anwendung der Farben 
weicht von der in der attischen Keramik üblichen vielfach ab. Abgesehen davon, dass 
Roth und Weiss noch sehr gerne bei den Ornamenten Vorkommen, kennen die Caere 
taner Vasen noch nicht jene ganz schematische Differenzirung, bei welcher auf den atti 
schen Gefässen nur die weiblichen Körper weiss, die männlichen sämmtlich schwarz er 
scheinen. Wohl wird bei ihnen die zarte Hautfarbe der Frauen — aber auch der 
Götter — durch Weiss angedeutet; im Uebrigen aber lassen sich die Caeretaner Vasen 
nur durch decorative Rücksichten leiten; so z. B. sind die Aegypter und die Jäger von 
Nr. 217 bald weiss, bald schwarz. Wie sehr der Maler bestrebt war, mit seiner 
geringen Farbenscala eine recht bunte Wirkung und grösste Mannigfaltigkeit zu erzielen, 
dafür ist besonders der Streifen mit der Eberjagd auf der Busirisvase bezeichnend, bei 
welchem die Farbe der Körper, Chitone, Mäntel (und an diesen wieder einzelne Streifen) 
und Haare nach einem förmlich ausgeklügelten Systeme abwechselt. Der schwarzfigurige 
attische Stil ist in der Anwendung der Farben viel sparsamer; Roth und Weiss bezeichnen 
hier zum Theile nicht mehr Farbenwerthe, sondern sollen nur Einzelheiten hervorheben. 
Die Caeretaner Vasen sind lange ein Kreuz für die Archäologie gewesen. Helbig, 
der zuerst die Gefässe dieser Art besprach, hat für sie den Namen »vasi ceretani d’imi- 
tazione corinziaca« eingeführt, indem er von der Ansicht ausging, dass diese Hydrien, die 
sämmtlich in Caere gefunden worden sind, daselbst in späterer Zeit in Nachahmung 
korinthischer Vorbilder verfertigt worden seien. Gegenwärtig noch theilt diese Ansicht 
niemand Geringerer als Heinrich v. Brunn. Allein die einzige Thatsache, deren Beweis 
kraft Brunn vergeblich zu entkräften sucht, dass eine Vase dieser Gattung in einem Grabe 
gefunden worden ist, das unzweifelhaft dem 6. Jahrhundert angehört, widerlegt jene Zeit 
bestimmung. Als späte Imitationen sind diese Vasen, die in jeder Beziehung eigenartig sind, 
unverständlich. Dagegen fügen sie sich zwanglos in die Kunstgeschichte des 6. Jahrhunderts, 
als eine Classe, die entschieden auf jonischen Ursprung weist. Ihre Verwandtschaft mit 
den Vasen von Rhodos (Ornamentationsprincip und Motive), sowie mit den Sarkophagen 
von Klazomenä springt auf den ersten Blick in die Augen. Ohne Zweifel aber sind 
die Caeretaner Hydrien jünger als alle anderen jonischen Gattungen (vgl. Nr. 215
	        
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