figürlichen Chinoiserien. Eine Teekanne zeigt einzelne großfigurige
Szenen über die ganze Fläche des Gefäßes verteilt. Mit grautonigem
Schwarzlot gemalt, erinnern sie an die Dekorationsweise von Haus
malern. Da das Gefäß aber auf der Unterseite die Signatur „Vienn
Cum privilegio S(acrae) C(aesareae) M(ajestatis)“ trägt, so dürfte es
— wie Masse und Glasur erkennen lassen — zu den frühen Erzeug
nissen der Manufaktur um 1720 gehören (Abb. 2).
Um die Mitte der zwanziger Jahre erscheint dann eine neue
Variante der figürlichen Chinoiserien. Uber die ganze Gefäßfläche,
die aber durch ornamentalen Dekor am Fuß und Lippenrand nun
deutlich gegliedert ist, breiten sich luftige, mehrstöckige Pavillons,
zu denen Treppen und Brücken hinaufführen. Ohne räumliche Per
spektive, naiv-geometrisch und in der Fläche aufgebaut, stehen sie
im Kontrast zu den vor ihnen aufragenden großen Felsen, in deren
bewegten und durchlöcherten Formen die dynamische Rocaille der
Rokokozeit vorweggenommen ist. Bunte Blütenbäume füllen den
freien Grund. In dieser Phantasielandschaft lustwandeln, ruhen und
plaudern exotisch kostümierte Gestalten, die ohne Rücksicht auf
naturalistische Größenverhältnisse zu ihrer Umgebung dargestellt
sind. Die eisenrot gemalten Schuppendächer, die purpurnen Wände,
die auf der grünen Vordergrundfläche aufgebauten violett-blau
gelben Felsen verstärken den unwirklichen, phantastischen Cha
rakter. Die Traumwelt eines fernen Paradieses ist hier in bunter
und naiver Weise gestaltet. Sicher stammt die Anregung von
den Emailmalereien Hungers, aber seine kleinteiligen Kompo
sitionen sind hier ins Große umgebildet und ausgebaut worden. Sie
sind in ihrer Art der originellste Beitrag der Wiener Manufaktur
zu dem von der Barockzeit so sehr geliebten Thema der Chinoiserie
(Abb. 8).
Bei der gegenseitigen Beeinflussung der Porzellanmanufakturen ist
es nicht verwunderlich, wenn viele Chinoiserien aus der Wiener
Fabrik ihre Verwandtschaft mit den Höroldtschen Chinoiserien
Meißens nicht leugnen können. Jene kleinfigurigen Gesellschaften
von spielenden und Tee trinkenden Chinesen, die in einer Garten
landschaft ohne architektonischen Hintergrund ihr paradiesisches
Dasein führen, gehören hieher. In einer umlaufenden Zone oder
zu kleinen Medaillons gruppiert, schmücken sie die Wand der Ge
fäße (Abb. 9, 10).
Doch auch strengere Nachahmungen von ostasiatischen Vor
bildern mit starkem Überwiegen des ostasiatischen Details finden
sich unter den Erzeugnissen. Unterglasurblau, eine von den Chinesen
meisterhaft angewandte Dekorfarbe, war schon um 1720 in Wien
erfunden worden. Ostasiatische Dekorelemente in dieser Farbe zu
sammen mit Goldhöhung und Ornamenten in Eisenrot werden
häufig angewandt. Bei vorwiegend chinesischem Eindruck ergeben
sich doch meistens köstliche Mischformen, wie bei dem Glutpfännchen,
wo unterglasurblauer „indianischer“ Dekor mit dem für Wien so
charakteristischen, eisenroten Zickzackfries am Pfannenrand und auf
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