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sei, lässt sich vorläufig nicht entscheiden. Auf jeden Fall war bei Gefässen
das Schleifen jeder Art ausser Gebrauch , bis es unter Kaiser Rudolf II.
in Böhmen aufgenommen'wurde und einen Umschwung in Technik und
Stil der Gläser hervorrief. Die glänzenden Leistungen italienischer Künstler
im Schleifen und Schneiden von Krystallgefässen hatten auch in Deutsch
land zur Nachahmung gereizt, gegen Ende des XVI. Jahrhunderts gab
es bereits geschickte Krystall- und Glasschleifer, und einen der hervor
ragendsten, Caspar Lehmann, berief der genannte Kaiser um 1590
nach Prag. Derselbe erhielt auch ein Privilegium auf eine Erfindung,
welche nach C Friedrich’s einleuchtender Vermuthung in der Construction
des durch den Fusstritt, anstatt durch eine mit der Hand gedrehte Kurbel,
in Umschwung gesetzten Rades bestand. Dieses letztere überträgt bekanntlich
die Bewegung auf die Scheibe, an welcher der in das Glas einschneidende
Stift befestigt ist. Lehmann und seine Schüler, unter welchen namentlich
Georg Schwanhard zu nennen ist, führten den Decorationsstil der Krystall-
gefässe in die Glasindustrie ein, und dieser wieder bedang eine andere
Formgebung als die bisherige. Die Gefässe mussten stärkere Wände haben,
um die vertiefte Arbeit aufnehmen zu können, und deshalb, wie auch
durch die Anlehnung an Vorbilder aus Bergkrystall, entstanden nun
Gefässe, die viel derber und schwerer waren als die bemalten Humpen
u. s. w., geschweige die venezianischen Kelche. Auf ein besseres Ver
schmelzen und Läutern der Glasmasse war man längst bedacht gewesen,
wenn aber trotzdem Luftblasen, Gries und Steine (nicht geschmolzene
Theilchen), Streifen und andere Fehler entstanden waren, konnte der
Maler sie leicht verbergen, während sie im geschliffenen Glase höchst
störend wirken mussten. Die Erfindung des wirklichen Krystallglases —
mit welchem Namen man bis dahin überhaupt das farblose belegt hatte —
in England kam hier sehr zu statten. Aber auch die natürliche, der Guss
haut bei Metallarbeiten entsprechende Oberfläche des geblasenen Glases
hatte nicht die gleichmässige Ebenheit und Glätte des polirten Krystalles,
sie musste also ebenfalls geschliffen und polirt werden. Dieses Schleifen
auf Steinen von gröberem und feinerem Korn, mit Schmirgel u. s. w.
beschäftigte nun eigene Arbeiter; und da selbstverständlich leichter ebene
Flächen als Rundungen zu schleifen waren, wurde es bald gebräuchlich,
die Rundung eines Glases in eine Menge von Flächen, Fassetten, zu ver
wandeln, das Gefäss zu schälen, was die Eckigschleifer oder Eckigreiber