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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

Die Hausmütter sind vom frühen Morgen an mit Kochen und Backen für die 
Abendmahlzeit beschäftigt. Wenn die Dämmerung eintritt, find sie mit allem fertig. Nun 
tritt der Hauswirts, mit einem Bündelchen Heu und einer kleinen Garbe Weizenstroh in 
die Stube. Bei seinem Eintritt sagt er: „Gelobt sei Jesus Christus!", worauf die Haus 
genossen antworten: „In Ewigkeit, Amen." Darauf bringt er aus jeder Getreidegattung 
ein wenig vom Schönsten seiner Fechsung in Halmen und Körnern herein, und die 
Hausfrau breitet dieses Getreide und dieses Heu auf dem Tische aus, den sie dann mit 
einem weißen Tischtuchs bedeckt. Sodann legt sie einen Laib Brod und Oblaten daraus, 
mit welch letzteren sie der Küster schon früher für einige Tage versorgt hat. Die Kinder 
schauen jeden Augenblick bald zum Fenster hinaus, bald lausen sie in den Hof, um zu 
sehen, ob sich der erste Stern noch nicht am Himmel blicken läßt, denn das Aufwachen 
des ersten Sternes ist das Signal zum Beginn des Abendmahles. So wie dieses beginnt, 
tritt im Hause lautlose Stille ein. In tiefer Sammlung knieen nun der Hausvater und 
die Mutter, die Kinder, die Dienstleute und wer sonst noch da ist, nieder und beten das 
Vaterunser, wo noch der Hanswirth gewöhnlich hinzufügt: „Großer Gott! ich danke 
Dir anch, daß Du gestattet hast, daß wir diesen heiligen Abend erleben, und ich bitte 
Dich, Du mögest uns in diesem kommenden Jahre Glück und Segen verleihen." Nachdem 
er aufgestanden, nimmt der Hausvater eine geweihte Oblate vom Tische, bricht sie mit 
der Frau, den Kindern und allen Hausgenossen nacheinander und bringt dabei einem jeden 
seine Wünsche dar; an manchen Orten spielt sich dieser Vorgang ohne Glückwünsche, unter- 
andächtigem Schweigen ab. Wenn irgend jemand aus der Familie fehlt, so unterläßt 
inan nie, seiner mit Bedauern, ja oft unter Thränen zu gedenken. Sodann bringt die 
Hausfrau die Gerichte auf den Tisch, alle setzen sich um denselben herum und es beginnt 
die Vigilien-Mahlzeit, die inan ganz richtig „Postnik", Fastenmahl, nennt, da alles nach 
den strengsten Fastenvorschristen ohne Butter, ja sogar ohne Milch, nur mit Öl zubereitet ist. 
Der Gerichte sind nicht wenig, da der Sitte nach nichts von allem dem fehlen darf, was 
inan in der betreffenden Gegend das ganze Jahr hindurch an Speisen genießt. Der 
Hausherr segnet jedes Gericht, das man anfstellt, und nimmt den ersten Löffel voll davon. 
In manchen Gegenden sagt er, indem er den ersten Löffel ausfaßt: „Komm' Wölflein, 
mit uns faste, komm' Bettler, iß und raste." Der Wolf ist natürlich nicht fürs Faste» 
eingenommen; es spricht daher der erste Vers den Wunsch aus, daß durch den Wolf 
kein Schaden geschehe. Der zweite Vers bezieht sich auf den alten Brauch, da man zur 
„Wilia"-Mahlzeit auch die Bettler einlud, was auch heutzutage, wenn auch nicht inimer 
ans Gutherzigkeit, jedoch der alten Sitte halber noch vorkommt. 
An der Mahlzeit muß vor allem eine gerade Zahl von Tischgenossen theilnehmen, 
sonst würde Einer von ihnen das nächste Jahr nicht erleben. Wenn also Einer zur
	        
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