Nr. 24
Internationale Sammler- Zeitung
Seite 195
Durchwandern wir unsere fürstlichen und städt
ischen Schatzkammern, die großen Staats- und selbst
die kleinen Ortsmuseen, so werden wir staunen über
die da noch vorhandenen Prachtobjekte, soviel davon
auch im Laufe der Zeit durch Kriegsplündeiung,
Diebstahl und Feuersnot zugrunde ging oder aus Not
dem Schmelztiegel verfiel. Diese Buckelpokale, Braut
becher, in Silber gefaßten Kokusschalen, Straußen-
cier, Nautilusmuscheln usw. sind ein glänzendes
Zeugnis für die Kunstfertigkeit und Erfindungsgabe
unserer Vorfahren.
Mit dem Einsetzen der Gegenreformation seitens
des Papsttumes fällt auch die Stilperiode des Barock
in der Kunst zusammen Wir haben heute erfreulicher
weise eine andere, bessere Meinung von diesem Stil
und seinen Werken als die Überromantiker des 19. Jahr
hunderts. Ebenso, rektifizieren wir das Urteil unserer
Vorfahren über die Brüder des Ignatius von Loyola.
Wir mögen ihrer macchiavellistigchen Moralphilosophie
den Krieg erklären,; ihren verdienstvollen Kunst
bestrebungen können wir die gebührende Anerkennung
nicht versagen.
Wenn auch heute einige phantasielose Lineal
architekten und „Raumkünstler“ die aus Selbst
empfindung ihrer Impotenz dem Ornamente den Krieg
erklären, darüber zetern — die Mehrheit der Kunst
freudigen wird einen schönen Barockbau doch immer
noch entsprechender finden, als einen kubistischen
Mauerblock, der euphemistisch' den Titel „Familien
haus“ führt.
Das Barock verstand sich darauf, im Handumdrehen
aus dem Kelch wieder ein apartes Kunstwerk zu machen.
Es nahm den Guß, die Treibtechnik, das Gravieren und
Ziselieren usw. in Anspruch, um in der Tat hervorragende
Kleinkunstwerke zu schaffen. Das Silber mit reicher,
schwerer Vergoldung war das Hauptmateriale. Ärmere
Kirchen und Klöster mußten sich freilich mit ver
goldeter Bronze begnügen. Die Bewegung der Gegen
reformation brachte in ganz Süddeutschland und
Österreich die Institution, der Hauskapellen in Schwang,
und zwar nicht nur für die Adelspalais, sondern auch
für Bürgerhäuser. Und diese Hauskapellen, meist
prächtig und liebevoll ausgestattet, waren keineswegs
bloßes Schauobjekt. Sie waren vielmehr zum größten
Teile konsekriert und zu gewissen Zeiten, Namens-,
Geburts- oder sonstigen Familiengedächtnistagen wurde
da Gottesdienst gehalten. Es waren alle nötigen sakralen
Geräte vorhanden und manches dieser Hauskapellen-
altarbilder erlangte als „wundertätiges“ Gnadenbild
eine weittragende Berühmtheit und wurde von den
zünftigen Stechern der Zeit in Kupfer gestochen
und diese Reproduktionen in Tausenden von Abdrücken
verbreitet. Viele unserer heute noch berühmten Wall-
fahrts- und Gnadenbildcr reichen in ihrem Ursprung
auf eine oft ganz schlichte Hauskapelle zurück.
Tatsache"ist auch, daß im Paris des alten Regimes
sich die berüchtigtesten „Herzensdamen“, wenn sie sich
ihr kleines Palais schenken ließen, nie auf die Haus
kapelle und deren Zugehör verzichtet haben.
In der lichtfreudigen Barocke erklang also wieder
lustig und hell in den Werkstätten der Gold- und
Silber schmiede der Treib- und Ziseleurhammer, rei
zende geflügelte Puttoköpfchen lugten aus dem Ran
kenwerke des Kelchfußes, der Cupa, hinter der Kar
tusche hervor, aus deren Umrahmung uns ein schönes
Frauenbildnis als Heilige entgegenlachte. Immer zarter,
duftiger wurde das Ornament, kletterte den Schaft
empor, schmiegte sich an den Nodus und umfing die
äußere Kelchwand, der dekorativste Stil, den die
Kunstgeschichte kennt, das Rokoko, regierte. Die
Wiener Goldschmiedegenossenschaft besitzt einen
der reizendsten und zierlichsten Kelche aus dieser
Zeit.
Der „Stil der Grazien“, wie ihn ein bekannter
Architekt nicht ohne Grund nannte, mußte dem so
genannten „Zopf" weichen, als die Mode es für gut
fand, klassizistisch-heroisch zu erscheinen und zwar
so ausgiebig, daß sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts
sich den „Degen-, Ladstock- und Bajonettstil“,
„Empire“ genannt, erfand.
Die. romantisch-süßliche Biedermeierzeit folgte und
dann, gings aus Mangel an eigener Erfindungsgabe
ans.. Kopieren. Die Museen wurden ge brandschatzt
und geplündert, es gab auf einmal eine ,,Nürnberger -
Renaissance“ neben den oft ganz merkwürdigen Ob
jekten, die als „altdeutsch“ bezeichnet wurden.
Inzwischen mühten sich einige Ritter vom. Zirkel
und Winkelmaß redlich ab, eine dekorative Foimen-
sprache zu erfinden, als plötzlich eine Kohorte lungcn-
laäftiger Schreier auf den Plan trat und mit Jubel
verkündete, sie hätte eine neue Kunst, die sic „Jugend
stil“ nannte, erfunden.
Mit Recht verhielt sich zunächst die katholische
Kirche ablehnend gegen diese alle Tradition beiseite
schiebenden bizarren Formen. Es kamen da unter
anderem in den Schaufenstern der Goldschmiede
Kelche zum Vorschein, die der Normalmensch nicht
schön finden konnte. Aus einem flachen, wie ein Bier
glas untersatz anmutenden Ständer strebte laternen-
pfahlartig ein unverhältnismäßig hoher und dünner
Schaft empor, duich einen nur schwach wie ein Ge
treidehalmknoten vorspringenden Nodus gegliedert.
Auf diesem sonderbaren Metallgewächs balancierte
die Cupa in der Form einer Tulpe mit nach außen
gebogenem Rande.
Wer die alten Kirchen- und Museums schätze kennt,
wird angesichts solcher Entgleisungen rufen müssen:
Umkehr!
Suchen nach neuen Dekorationen, Motiven, Vei -
Wertung alter bewährter Techniken., aber Vermeiden
jeder bizarren Extravaganzen! Sonst mögen sich die
Herren vom Treibhammer und Ambosstöckl nicht
weiter wundern, wenn das Geld eines kunstfreudigen
Klerikers in den Säckel des Antiquitätenhändlers
fließt, statt in die Tasche des Handwerkers! Nur eine
Kunst, die es versteht, volkstümlich zu werden,
kann Jahrhunderte überdauern.
Kunstauktiou im Wiener Dorotheum.
Im Wiener Dorotheum ist eine Auktion im Gange,
die sich des lebhaftesten Interesses der Wiener Sammler
erfreut. Mit guter Keramik eingeleitet, dürfte sie beim
Erscheinen dieser Nummer unseres Blattes bereits
bis zu den Gemälden gediehen sein, die einen besondei s
reichhaltigen Abschnitt des voluminösen Kataloges
füllen. Es sind da ebenso gut die alten, wie die modernen
Meister vertreten. So finden wir unter den alten
Meistern einen Parmegianino, der stark begehrt
sein dürfte: er stellt die heilige Familie mit der heiligen