DIE FLÄCHE I
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Plakat
Adolf Böhm.
und auf immer neuere, exzentrischere, um
erhörtere Mittel verfällt. Mit ihm geht man
nicht streng zu Gericht. Jede Ausgelassenheit,
jede Frechheit, jede Bizarrerie ist ihm erlaubt
oder verziehen, denn es steht damit unter dem
Zwang einer Notwendigkeit, es kämpft damit
um seine Existenz. Jeden Augenblick ist es
neu, ist es anders, wechselt seine ErscheinungS'
formen mit der Hurtigkeit eines Fregoli.
Aus diesen seinen Lebensnotwendigkeiten
ergeben sich seine künstlerischen Notwendig-'
keiten. Ehedem hat man, und das geschieht
wohl auch heute noch, dem Plakat dadurch eine
Anziehungskraft zu verleihen gesucht, daß man
irgendwelche Bilder, namentlich Landschaften,
die Gefallen erregen konnten, plakatmäßig
reproduzierte, auch wenn sie zu dem eigent
lichen Ankündigungsinhalt in keinerlei Be'
Ziehung standen. Die bildmäßige Wirkung eines
solchen Plakats sollte auch das Wunder tun,
nebenher den Gerstenkaffee oder die Schuh'
wichse, oder was sonst des Pudels Kern war,
zur Geltung bringen. Und sie taten dieses
Wunder, solange es keine andere Art von
Plakaten gab.
Mögen die zu Plakatdiensten reproduzierten
Bilder an und für sich noch so künstlerisch
sein, als Plakat sind sie es nicht. Auch das
Plakat hat seine Ästhetik, die verlangt, daß
seine Form aus dem Ankündigungsinhalt ge'
holt werde. Dieser Inhalt leiht den Stoff, und
<
die Zeichnung gibt ihm den künstlerischen