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Volltext: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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Die Epoche bietet das grösste Interesse, weil in ihr die 
grössten Gegensätze aufeinanderprallen. 'Widersprechende Stile 
und Tendenzen lösen sich ab, fast eben so rasch als in unserer 
Zeit. Es ist ein gewaltiges, zum T'heile mit gewaltsamen Mitteln 
arbeitendes Ringen. Ueberfeinerung und schlichte Einfachheit, 
Antike und Natur, Idealismus und Realismus, Gegenwart und 
Vergangenheit stellen sich feindlich gegenüber und setzen sich 
auseinander. Auch in der Kunst kämpfen aristokratische und 
demokratische Anschauungen, dem Schlagworte: „L’art pour l’a.rt“ 
tritt das Schlagwort: „L’art pour tous“ entgegen, dem Ver 
standesgemässen die Forderung des Gemüthes, dem Weltbürger 
thum das Volkstümliche, der Aufklärung das religiöse Bedürfnis. 
Auch auf dem Gebiete der bildenden Künste vollzieht sich die 
Revolution, welche mit den überlieferten Anschauungen aufzu 
räumen sucht, neue Ideale aufstellt und zu verwirklichen trachtet, 
schon zu Ende des 18. Jahrhundertes. Auch sie vernichtet, wie 
jede Revolution, mit dem Schlechten das Gute, auch sie ist 
doctrinär wie die politische, unduldsam, einseitig; auch in ihr 
ruhen aber, im Stillen sich entwickelnd wie conservative Elemente, 
so innere Gegensätze, welche allmälig, schrittweise, das Neue 
mit dem Alten, das Können mit dem Wollen versöhnen und für 
neuen Aufbau neue Grundlagen und Einsichten schaffen. Wie im 
öffentlichen Leben, so zittern auch in der Kunstentwicklung des 
19. Jahrhunderts bis auf unsere Tage die aufwühlenden Erregungen 
nach, welche wie Ursache so Folge dieser Revolution waren. 
Der Ursprung der Erkenntniss, dass neue Wege einzuschlagen 
seien, um die Kunst vor gänzlicher Verflachung zu retten, ist 
nicht allein in Frankreich zu suchen. In Deutschland empört sich 
das ästhetische Gewissen zunächst der Literaten gleichzeitig und 
nicht minder heftig und zielbewusst. Beiden voran aber schreitet 
England; es hatte seine politische Revolution bereits im 17. Jahr 
hunderte überstanden; es hatte während des ganzen 18. ■Jahi- 
hunderts, in der Malerei alle Erzeugnisse anderer Länder und 
Völker überragend und ihnen vorgreifend, der Kunst die neuen 
Wege gewiesen, welche zu neuer Entfaltung führen sollten. Hier 
war aber auch keine nationale Tradition zu überwinden; wohl 
hatte man bereits frühe mit der Anhäufung vorbildlicher Kunst 
schätze begonnen und im 16. Jahrhunderte Holbein, im 17. van Dyck 
und sodann den Lübecker Kneller berufen, um die künstlerischen
	        
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