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Die Epoche bietet das grösste Interesse, weil in ihr die
grössten Gegensätze aufeinanderprallen. 'Widersprechende Stile
und Tendenzen lösen sich ab, fast eben so rasch als in unserer
Zeit. Es ist ein gewaltiges, zum T'heile mit gewaltsamen Mitteln
arbeitendes Ringen. Ueberfeinerung und schlichte Einfachheit,
Antike und Natur, Idealismus und Realismus, Gegenwart und
Vergangenheit stellen sich feindlich gegenüber und setzen sich
auseinander. Auch in der Kunst kämpfen aristokratische und
demokratische Anschauungen, dem Schlagworte: „L’art pour l’a.rt“
tritt das Schlagwort: „L’art pour tous“ entgegen, dem Ver
standesgemässen die Forderung des Gemüthes, dem Weltbürger
thum das Volkstümliche, der Aufklärung das religiöse Bedürfnis.
Auch auf dem Gebiete der bildenden Künste vollzieht sich die
Revolution, welche mit den überlieferten Anschauungen aufzu
räumen sucht, neue Ideale aufstellt und zu verwirklichen trachtet,
schon zu Ende des 18. Jahrhundertes. Auch sie vernichtet, wie
jede Revolution, mit dem Schlechten das Gute, auch sie ist
doctrinär wie die politische, unduldsam, einseitig; auch in ihr
ruhen aber, im Stillen sich entwickelnd wie conservative Elemente,
so innere Gegensätze, welche allmälig, schrittweise, das Neue
mit dem Alten, das Können mit dem Wollen versöhnen und für
neuen Aufbau neue Grundlagen und Einsichten schaffen. Wie im
öffentlichen Leben, so zittern auch in der Kunstentwicklung des
19. Jahrhunderts bis auf unsere Tage die aufwühlenden Erregungen
nach, welche wie Ursache so Folge dieser Revolution waren.
Der Ursprung der Erkenntniss, dass neue Wege einzuschlagen
seien, um die Kunst vor gänzlicher Verflachung zu retten, ist
nicht allein in Frankreich zu suchen. In Deutschland empört sich
das ästhetische Gewissen zunächst der Literaten gleichzeitig und
nicht minder heftig und zielbewusst. Beiden voran aber schreitet
England; es hatte seine politische Revolution bereits im 17. Jahr
hunderte überstanden; es hatte während des ganzen 18. ■Jahi-
hunderts, in der Malerei alle Erzeugnisse anderer Länder und
Völker überragend und ihnen vorgreifend, der Kunst die neuen
Wege gewiesen, welche zu neuer Entfaltung führen sollten. Hier
war aber auch keine nationale Tradition zu überwinden; wohl
hatte man bereits frühe mit der Anhäufung vorbildlicher Kunst
schätze begonnen und im 16. Jahrhunderte Holbein, im 17. van Dyck
und sodann den Lübecker Kneller berufen, um die künstlerischen