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Volltext: Katalog der Wiener-Congress-Ausstellung 1896

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als Medium für die Erkenntniss der Natur. Er ist Realist im 
besten Sinne, der Ausdruck der Seele in ihrem Spiegel, dem Antlitz, 
reizt ihn am meisten, und so pflegt er denn auch weniger das 
Studium der griechischen Idealbilder, als das der römischen Por 
trätkunst. Sein „Ziethen“ und „Leopold von Dessau“ in Berlin 
(1800), sein „Luther“ in Wittenberg (1821) sind bleibende Mark 
steine in der Entwicklung der deutschen Kunst. Christian Rauch 
aber bezeichnet ihren Höhepunkt für die Plastik unserer Epoche. 
Sein Stil ist eine Rückbildung des Schadow’schen Realismus zu mehr 
idealistischen Formen, die aber immer warmes Leben athmen; es 
ist, wie angedeutet, stilvoller Realismus, der stets und immer das 
höchste Ziel der Kunst bleiben wird. Sein „Scharnhorst“ und „Bülow“ 
in Berlin (1815—1822), sein „Blücher“ in Breslau (1820), sein Goethe, 
vor Allem aber das Marmorbild der Königin Louise im Mausoleum 
zu Charlottenburg (1814), sind unübertreffliche Werke, um welche 
die Deutschen von aller Welt zu beneiden sind. Erst mit dem 
Bildnisse der Königin Louise war der formalistische Glassicismus 
überwunden und die lang gesuchte Wahrheit erkannt, dass für 
unsere moderne Kunst die Antike nicht als Vorbild zu scla- 
vischer Nachahmung, sondern nur als Schule gelten kann, in der 
vielgestaltigen Natur, und nur in ihr, das Material 2tu künst 
lerischer Werthung in charakteristischen Formen zu suchen. Mit 
diesem Werke hat Rauch die antike Plastik aus der ängstlichen 
Nachahmung der Antike wieder auf nationalen Boden zurück 
geführt und den Bann des Missverständnisses gebrochen, der auf 
der Plastik der Zeit bis dahin lastete. Unsere moderne Plastik in 
ihren besten Schöpfungen ruht auf Rauch, den nach seinem vollen 
Werthe zu würdigen, die Gegenwart fast verlernt hat. 
Nicht überall ebenso erfreulich, aber immerhin nicht bedeu 
tungslos vollzieht sich die künstlerische Reaction auf dem Gebiete 
der Architektur. In Wien bemächtigt sich der Akademie auch auf 
diesem Gebiete die Vorliebe für die classische Antike. Aber nicht 
die römischen Säulenordnungen sind es, die man für’s Erste zum 
Muster nimmt, sondern die griechischen, und so puritanisch ist 
man gesinnt, dass man nicht den reichen korinthischen, nicht 
einmal den weniger reichen, aber schlanken, heiteren jonischen Stil, 
sondern den schweren, strengen, ernsten dorischen wählt. Die Füh 
rung übernimmt der in Rom gebildete Schweizer Peter von Nobile, 
welcher in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts nach Wien
	        
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