Die Gesellschaft des Wiener Congresses.*)
Yon Professor Dr. Eugen Guglia.
Die Wiener Congress-Ausstellung im Oesterr. Museum reiht
sich zwei Wiener Unternehmungen an, von denen die eine in
denselben Räumen vor acht, die andere im Rathhause vor fünf
Jahren mit bestem Erfolge durchgeführt worden ist: der Maria
Theresia- und der Grillparzer-Ausstellung. In Bezug auf die Zeit,
die sie umfasst, beschränkter als ihre Vorgängerinnen, hat sie
sich auf ein räumlich viel ausgedehnteres Gebiet zu erstrecken:
nicht nur aus Wien, nicht nur aus Oesterreich sind ihr Objecte
zugegangen, sie hat nicht umsonst auf die Theilnahme der meisten
Staaten von Europa gerechnet. In einem gewissen Sinne ist sie
eine internationale Ausstellung, wenn auch Wien ihren Mittelpunkt
bildet.
War doch auch der Wiener Congress ein internationales Er
eigniss ersten Ranges. Ja man kann sagen: er ist etwas Einziges
in der ganzen neueren Geschichte. Es hat im Verlaufe des vori
gen Jahrhunderts und des jetzigen andere Congresse genug ge
geben, wo wichtige politische Fragen verhandelt wurden, aber keiner
von ihnen lässt sich mit dem Wiener Congresse vergleichen. Am
meisten haben noch die grossen Kirchenversammlungen des aus
gehenden Mittelalters mit ihm Aehnlichkeit, die Concilien von
Constanz und Basel. Aber dort war der Schauplatz vom Zufalle
bestimmt — der Congress von 1814 konnte nur in Wien abge
halten werden. Ueber die Wahl des Ortes waren auch alle Mächte
einig gewesen, es hatte da fast keinen Widerspruch gegeben: Ver
gangenheit und Gegenwart, Ideen und Personen, Politik und Lite
ratur forderten Wien und nur Wien allein. Wien war während
der ganzen langen Zeit der Revolutionskriege ein Centrum und
*) In der vom Verfasser selbst für den Abdruck in der »N. Fr. Pr.“
(25. Januar 1896) besorgten Redaction seines am 29. November 1894 im
k. k. Oesterr. Museum gehaltenen Vortrages: »Der Wiener Congress“.
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