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Jugendstil, der 1938 längst überholt war, nur eine der vielen
Anregungen, durch die sich sein Formgefühl bereichert. Meint man
doch in derselben Serie auch noch Anregungen aus einem ganz
anderen Kunstkreis und aus viel weiter zurückliegender Zeit zu
spüren: die hockenden Figuren in gemusterten Gewändern, eng in
kurvige Umrisse geschlossen, sind jedenfalls nächste Verwandte der
Gestaltenwelt islamischer Buchmalereien des 13. Jahrhunderts.
Auch die große Serie der „Zehn Schüler des Buddha“ (Katalog
Nr. 15, Abb. T. 6 und T. 7) aus dem nächsten Jahr gehört noch in
dieselbe Stilphase, mit der sie die Trennung von Figur und Grund,
die Geschlossenheit der Silhouette, die Dramatik des Schwarz-Weiß-
Kontrastes und den aufs äußerste gesteigerten Ausdruck gemeinsam
hat. An Jugendstil aber wird niemand mehr denken, eher an den
deutschen Expressionismus. Aber hier ist Vorsicht am Platz. Diese
Gestalten gehören thematisch zur Welt des Zen, und im Zenga, der
Mönchsmalerei dieser Weltanschauung, war die ausdrucksgeladene
Grimasse seit langem ein wesentlicher Zug. Auch aus dem religiösen
Holzschnitt des Buddhismus sind hier starke formale Anregungen
mögUch.
Einen entscheidenden Wandel bringen wieder die beiden Diptychen
„Segnung der Natur“ (Katalog Nr. 7, Abb. T. 8 und T. 9) und
„Blauer Prinz und Rote Prinzessin“ (Katalog Nr. 18, Abb. T. 10
und T. 11) aus den Jahren 1949 bzw. 1950. Der Künstler vereinigt
Gestalten und Formwerte früherer Phasen zu einem neuen Stil. Die
Figuren erinnern in ihrer den Rahmen sprengenden Fülle, in ihrer
Gestik, ja in ihren gemusterten Kleidern an jene des „Kwanin
Sutra . Aber sie sind nicht vom Grund isoliert, sondern so ein
gebettet in die gemusterten Gründe, daß der Gegensatz zwischen
Figur und Grund fast aufgehoben ist. Wie in der ersten Phase die
Ausschnitte aus der Pflanzenwelt füllen nun wuchernde Teppiche
aus kleinteihgen Motiven das ganze Blatt und die Figuren selbst
sind pflanzenhaft geworden. Das grelle Pathos des „Kwanin Sutra“
ist einer märchenhaften Versonnenheit gewichen, die an das „Dasein“
der Gestalten im Gerank islamischer Metallarbeiten, Keramiken und
Teppiche erinnert. Der gleiche Geist, die gleiche hebenswürdige
jjVerspieltheit , herrscht auch noch in der 1952 entstandenen
I Ro Ha-Phantasie (Katalog Nr. 13, Abb. T. 13), bei der die Schrift
zeichen die Rolle der Figuren übernehmen, und in dem großen
Blatt „Blumenjagd (Katalog Nr. 21, Abb. T. 15) von 1954, das
übrigens mit dem zurückgewendeten Jäger auf dem Pferd im
fliegenden Galopp ein uraltes Motiv asiatischer Kunst aufnimmt, das
seinen Ursprung in den Jagd- und Kampfmethoden der Reiter
nomaden der nördhchen Steppengebiete hat. Eine seiner schönsten
Forrnulierungen hat das Thema dieses „Reiters in einer jenseitigen
Welt auf einer goldtauschierten Bronzeröhre gefunden, einer
chinesischen Arbeit des 1.—2. Jahrhunderts n. Cht., die in der
kaiserUchen Akademie in Tokyo aufbewahrt wird und die Munakata
wo inspiriert haben könnte. Zwischen die beiden zuletzt genannten