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Volltext: Der Gösser Ornat im k. k. österr. Museum für Kunst und Industrie

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fliehende Einhorn, wenigstens im späteren Mittelalter, häufig als Sinnbild der 
Keuschheit und hätte hier in einem der unbefleckten Empfängnis Mariens 
geweihten Gotteshause wohl besondere Bedeutung. Wenn später auf einer 
Leinenstickerei des XV. Jahrhunderts im Bregenzer Landesmuseum*, einer 
Darstellung der sogenannten mystischen Jagd des Einhorns, das Christkind 
auf dem Einhorne der Madonna zureitet, so wird man darin eine Erweiterung 
der hier angedeuteten Idee sehen können. Jedenfalls wird man aber sagen 
dürfen, daß es sich bei dem Gößer Antependium um eine der ältesten Dar 
stellungen des Einhorns in solchem Zusammenhänge handelt. 
Um den mittleren Kreis ist folgende Inschrift zu lesen: SIS • CLEMES 
(Clemens) • XPI (Christi) • MATER / DOMVI • PRECOR • ISTI • / ISTVM^ 
XPE (Christe) • GREGEM / REGE • P (per) PLACITA • T (tibi) • LEGE 
(legem). (Sei gnädig Mutter Christi diesem Hause, bitte ich; Christus, lenke 
diese Heerde nach dem dir wohlgefälligen Gesetze.) — Die mittlere Darstel 
lung ist, wie bereits gesagt, am meisten beschädigt, so daß größtenteils nur 
die Vorzeichnung erhalten ist. An einigen Stellen ist auch die Leinwand selbst 
durchgerieben, so daß sie schon in älterer Zeit ausgestoppt werden mußte; 
ziemlich in der Mitte findet sich das erwähnte Stück des links abgefallenen 
geometrischen Musters eingesetzt. Trotz dieser Zerstörungen und Verände 
rungen ist die Hauptsache noch klar. Es ist Maria in Vorderansicht auf einem 
Throne sitzend dargestellt mit dem nach rechts gewendeten Kinde auf dem 
Schoße; beide erheben segnend die Rechte. Maria trägt eine reiche Krone; 
bei dem Kinde ist die Stelle oben am Haupte leider völlig zerstört, so daß 
man nicht erkennen kann, wie der vermutliche oder wenigstens mögliche 
Kopfschmuck beschaffen war. Das Christkind trägt ein langes Gewand. Der 
Thron hat die seit der altchristlichen Zeit bis in die Gotik übliche breite Form; 
rechts und links auf der Lehne sind Vögel als Verzierung angebracht, wie 
sie sich gleichfalls seit frühchristlicher Zeit in ähnlicher Verwendung finden. 
Häufig, besonders in vorgotischer Zeit, sind es wohl nur Vogelköpfe, die als 
Ausläufer der Armlehnen und verwandter Formen angewendet erscheinen. 
Außer der rein dekorativen Bedeutung mögen die Vögel, die hier wohl wieder 
als Tauben gemeint sind, noch symbolische Bedeutung haben. Bemerkens 
wert ist noch ganz rechts das kleine stilisierte Bäumchen mit dem Vögel 
chen darauf. Wir täten wohl unrecht, wenn wir hierin bloß eine Lücken 
füllung erblickten, weil der Thron nicht genau in die Mitte des Kreises ge 
setzt ist. Zunächst wäre es wohl nicht so schwer gewesen, den Thron eben 
in die Mitte zu bringen, wenn man ihn dort hätte haben wollen; sollte sich 
der freie Raum aber auch tatsächlich zufällig ergeben haben, so ist es doch 
unverkennbar, daß man die Gelegenheit zu einer sehr lieblichen Schöpfung 
mit einer gewissen Freude ergriff. 
Die Engel außerhalb und oberhalb des mittleren Kreises sind jedenfalls 
noch auf die Mitteldarstellung zu beziehen, da Engel, die Weihrauchfässer 
schwingen, in ähnlichen Darstellungen im Mittelalter durchaus üblich sind; 
* Mitteilungen der k. k. Zentralkommission, 189g, Seite 118.
	        
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