Ja, zu früh auch der Welt, denn Heinrich Ferstel gehörte zu jenen gott
begnadeten, so seltenen Geistern, die in ihrem genialen Drange das Dornröschen der
Kunst aus dem hundertjährigen Schlafe erweckt haben. Der Welt hat er leuchtende,
unvergängliche Vorbilder gestellt und seiner Kunst, der Baukunst, mit den wenigen
Genossen, die ihm auf seiner Höhe zur Seite standen, die Bahnen vorgezeichnet.
Die Baukunst lag im Argen damals, als B erstel zum ersten Male das Licht
des Tages erblickte (7. Juli 1828), und nirgends mehr im Argen als bei uns in Oester
reich. Die Welt war versunken in leere Nüchternheit, die Phantasie, die schöpferische,
Flammen sprühende, war ein ausgebrannter Krater, die Traditionen, die Verbindungen
mit der grossen Kunstvergangenheit waren abgeschnitten; einen eigenen Stil, in dem
sich blind und unbewusst noch Erträgliches zu Stande bringen liess, hatte das neun
zehnte Jahrhundert nicht überkommen. Hier in Oesterreich war das Bureau der grosse
Baukünstler, der alle Aufgaben, so viel oder so wenig ihrer waren, an sich riss und in
seinem Geiste ausführte. Und dieser Geist war nicht der heilige Geist der Kunst. Das
Bureau als Künstler hat nicht denMuth der Initiative, nicht die Kühnheit der Neuerung,
und konnte sie damals am wenigsten haben, da diese Tugenden fast wie Verbrechen
galten. Schon in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts hatte die Archi
tektur ihre Profile eingezogen, vorsichtig, wie die Schnecke ihre Hörner; sie hatte
Alles hübsch in die gerade Linie gebracht und glatte, schattenlose Wände dem Auge
dargestellt. Das stimmte trefflich zu den künstlerischen Anschauungen des Bureaus.
Nüchtern, sparsam, berechnend, allem Schmucke, allem vermeintlich Entbehrlichen
und Ueberflüssigen abhold, wie es war — was Wunder, dass leere Wände innen und
aussen sein Ideal waren.
So bei uns. Nicht viel besser stand es mit der Architektur, wenn man den Blick
in den zwanziger Jahren — nach Deutschland richtete. Auch dort noch die ganze
officielle Architektur unter der Herrschaft des Bureaus. In Berlin hatte ihr Schinkel
neues Leben einzuhauchen versucht, aber sein antiker Stil war schon in die Gewalt
der kleinen Geister gerathen und der Schablone anheimgefallen. Anderswo erblickte
man nur den Stillstand. Aber es war auch gerade der Moment, wo aus dem Todes
schlafe neues Leben erwachen sollte, langsam, sehr langsam, in langen Lehrjahren
und unter zahllosen Irrthümern.
Am Rhein zuerst hatte die Romantik Wurzel geschlagen und mit ihren mittel
alterlichen Passionen Bauherren und Baukünstler erfüllt. Burgen wurden wieder her
gestellt, Rittersäle erbaut, Kirchen restaurirt und gereinigt vom Zopf der Neuzeit.
Dasalles geschah freilich noch in trockener, farbloser Weise, ohne Reiz und Phantasie,
ohne Verständniss des Mittelalters und seiner Formen, aber der Eifer erweckte auch