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Volltext: Heinrich Freiherr von Ferstel

anschliessenden offenen Stiege in der Mitte. Der Hof war eine volle Neuerung in der 
Architektur Wiens, wenn auch nicht in der Kunstgeschichte. Die Arkadenhöfe Italiens 
und vor allem diejenigen der genuesischen Paläste haben ohne Zweifel unserem 
Meister diesen Gedanken eingegeben, aber diese Höfe unter ihrem glücklichen 
Himmel sind alle offen, und Camelien und Granaten und Orangen blühen und duften 
in ihnen. Er aber musste den Hof schliessen, der als Ausstellungslocal zu dienen hatte, 
und so legte er in Eisengerüst die Glasdecke über den weiten Raum. Die Art, wie es 
geschah, ist seine Neuerung, eine kühne Neuerung, denn mit den schlanken granitenen 
Monolithsäulen und den weiten offenen Bögen behielt er völlig die Leichtigkeit, Luftig 
keit und Eleganz der Genueser Höfe, aber mit der schweren Decke von Glas und Eisen 
gab er den Bögen und Säulen eine Last zu tragen, von der sie in Italien frei sind. 
Zur Schönheit der Architektur wusste der Meister noch den Reiz der Farbe 
hinzuzugesellen, ebensowohl in den fein und warm gestimmten Tönen des glänzenden 
Stückmarmors, wie in den decorativen Malereien der Gewölbe. Auch hier hatte ihn 
— selbstverständlich — die italienische Renaissance geleitet. Mit sicherem Griffe 
nahm er — der Erste, wenigstens in dieser Weise und Ausdehnung — jene Arabesken 
oder vielmehr Groteskenmalerei wieder auf, welche nach den antiken Mustern von 
der Frührenaissance neu erschaffen und von Rafael und seinen grossen Schülern Gio 
vanni da Udine und Giulio Romano mit ewiger Schönheit ausgestattet wurden. Und 
hierin (ausser dem ausführenden Maler Isella) kam ihm insbesondere das unvergleich 
liche decorative Talent Laufbergers zu statten, unseres und seines gleichfalls allzu 
früh zu unersetzlichem Verlust dahingegangenen Freundes. Würdig jener Meister, 
entwarf und malte Laufberger die Decoration in unserem vielbewunderten Stiegen 
hause, das mit seiner feinen Architektur, mit seinem reizenden Colorit, mit der weihe 
vollen Stimmung des Lichtes durch die zart gefärbten Fenster wie ein Juwel sich an 
den Ring der Arkaden anlehnt — ein malerisch reizvoller Anblick in jeder Beleuchtung. 
Am 4. November 1871 war das österreichische Museum vollendet und der 
Schlussstein gelegt. Der Weg, der mit diesem Bau betreten war, wurde von unserem 
Meister nicht wieder verlassen. Eine Reihe Privathäuser, die in den siebziger Jahren 
entstanden, zeigen, wie sehr Ferstel sich in den Stil der Renaissance eingelebt hatte, 
wie frei und schön er sich in ihren Formen und ihrem Geiste bewegte. Alles ausnahmslos 
trägt den gleichen Charakter edler, massvoller Vornehmheit. DenTerracottenbau, den er 
mit dem österreichischen Museum so glücklich begonnen, führte er weiter in dem Ge 
bäude des chemischen Laboratoriums und in der Kunstgewerbeschule. Die Stellung, 
welche er als Präsident des Verwaltungsrathes der Wienerberger Ziegelwerke ein 
nahm, mochten ihm für diese so rationelle und naturgemässe Bauweise ein besonderes
	        
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