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Volltext: Heinrich Freiherr von Ferstel

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Pflicht, denn die wenig gelesene und beachtete Denkschrift enthält die Ideen Ferstels 
über die Aufgabe der modernen Architektur. Aus dem Capitel „Aesthetisches“ der 
Denkschrift wollen wir im Folgenden einige Sätze herausheben, welche als die leiten 
den Principien Ferstels betrachtet werden können. Er sagt: „Zum Ausdrucke 
grosser architektonischer Gedanken befähigt nur die vollkommene Beherrschung 
einer allgemein verständlichen Formensprache. Nur mit dieser Macht ausgestattet 
werden wir wieder originell sein können, weil nur die einfachsten und gemeinver 
ständlichen Mittel überzeugend wirken, und weil es nur auf diese Weise gelingen kann, 
die alten Formen neu zu beleben.“ 
„Das Motto (Bramante), welches ich meinem Entwürfe zu Grunde gelegt habe, 
soll dieser meiner Ueberzeugung Ausdruck verleihen, dass uns das Beispiel der alten 
Meister auf den rechten Weg führen muss.“ 
„Nicht als ob ich die Richtung Bramantes als die massgebende bezeichnen 
wollte, wohl aber seine grossen Absichten, welche allein im Stande sein können, uns 
zu bedeutenden architektonischen Thaten zu befähigen.“ 
„Bramante befand sich am Schlüsse des 15. Jahrhunderts in einer ähnlichen 
Lage, in der wir uns heute befinden. Aus dem bunten und ziemlich zerfahrenen Wesen 
der damals herrschenden Richtungen wusste er den richtigen Weg zu wählen, indem 
er bei Anwendung einfachster Mittel vor allem anderen auf den charakteristischen 
Ausdruck den architektonischen Accent zu legen bemüht war. Das reiche schmückende 
Detail suchte er durch richtige Verhältnisse zu ersetzen, und indem er das Schwer 
gewicht auf grosse Raumgestaltung und auf Gliederung in diesem höheren Sinne 
architektonischer Bildung legte, hat er jene Richtung inaugurirt, welche mit Recht 
als die goldene Zeit der Architektur bezeichnet wird.“ 
„Die Eignung der italienischen Hochrenaissance für die modernen Bedürfnisse, 
man kann wohl sagen ihr internationaler Charakter dürfte, nachdem ein streng natio 
naler Stil nicht vorliegt, die gewählten Formen für den vorliegenden Zweck wohl 
empfehlen.“ 
„Die eigentliche künstlerische That scheint mir aber weniger in der correcten 
Behandlung anerkannt guter Formen zu suchen zu sein, als vielmehr in der richtigen 
Anwendung auf eine aus der Natur der Aufgabe sich entwickelnde charakteristische 
Gebäudeform, also in der architektonischen Grundgestaltung sowohl des Innern wie 
des Aeussern.“ 
„Dass hierbei der Schwerpunkt auf die Hauptform und auf gute Verhältnisse 
zu legen ist, wird unbestritten bleiben, ebenso, dass das Detail möglichst einfach sein 
muss, um wirkungsvoll zu bleiben, indem die Wiederholung und der Wechsel einfacher 
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