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Volltext: Heinrich Freiherr von Ferstel

Lehre nothwendig durch einzelne Grundzüge seines persönlichen Wesens beeinflusst 
werden. Zwei hervortretende Züge in Ferstels Charakter fanden in der That in seiner 
Art zu lehren ihren analogen Ausdruck: seine völlige Freiheit von jedem Vor- 
urtheil und seine historische Bildung. 
Ein Architekt, der, so wie Ferstel, die Nothwendigkeit erkannte, mit der sich 
in der Baukunst der verschiedenen Zeiten und Völker tiefgehende Wandlungen voll 
zogen, und der, wie er, das moderne Wesen in seinem geschichtlichen Zusammenhänge 
mit der Vergangenheit erfasste, der musste auch als Lehrer der Baukunst jedem Be 
streben ferne bleiben, irgend einem besondern Baustile ein unbedingtes Vorrecht vor 
anderen einzuräumen oder gar denselben als alleinberechtigt hinzustellen. Im Gegen- 
theile erblickte Ferstel gerade in der Vertrautheit mit den verschiedenen Formen, 
welche die Baukunst unter geänderten Verhältnissen angenommen hatte, ein Mittel, 
die besondere Art einer jeden Aufgabe, welche sich dem Architekten darbietet, in der 
Erscheinung des Bauwerks zu verständlichem Ausdruck zu bringen. Nicht als ob 
Ferstel für eine bestimmte Kategorie von Bauwerken auch einen besonderen Stil als 
allein zulässig erklärt hätte, aber er war sich klar darüber, dass zahlreiche Probleme 
der Baukunst ihre vollendete Lösung in bestimmten Typen gefunden haben, die dem 
Architekten bei seiner Arbeit im Geiste vorschweben und seinen Ideen die Richtung 
geben müssen. 
In diesem Sinne hatte Ferstel seine Vorlesungen eingerichtet. Sie waren histo 
risch nur insofern, als es die Darstellung der Principien der Baukunst in ihrer allmäligen 
Entwicklung unbedingt erforderte. Die Betrachtung der Monumente bildete den Aus 
gangspunkt der Erörterungen, die sich auf das technische und künstlerische Moment 
erstreckten. 
In den Abschnitten, welche die ältesten Kunstepochen und das klassische 
Alterthum behandelten, schloss sich Ferstel den Anschauungen Sempers an, dessen 
hervorragende Verdienste gerade auf diesem Gebiete der Kunstwissenschaft er rück 
haltlos anerkannte. Er folgte Sempers Beispiel auch darin, dass er — insbesondere 
in den ersten Jahren seiner Lehrthätigkeit — die Kunst des westlichen Asiens und 
Aegyptens mit Ausführlichkeit behandelte, um seinen Schülern den Einblick in das 
Werden der Kunst und damit auch ein tieferes Verständniss ihres Wesens zu er- 
schliessen. Hieran reihten sich die Untersuchungen über die Baukunst der Griechen 
und Römer. 
In einem ähnlichen Zusammenhang gelangten dann die byzantinische, romani 
sche und gothische Kunst zur Darstellung. Die technischen Principien dieser letzte 
ren bildeten ein Lieblingsthema Ferstels. Auch ohne die Gründlichkeit, welche die 
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