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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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strielle, die für Massenbedarf arbeiten, und deren Geschäft auch nach 
jenen Seiten, die das Museum berühren, in einem erfreulichen Aufschwünge 
begriffen ist. 
Nicht unbemerkt aber wollen wir lassen, dass manche Zweige der 
Kunstindustrie über eine ungenügende Erzeugung des Rohmateriales 
klagen. So müssen Gypsgiesser vielfach ausländischen Gyps, Kunstbuch 
binder vielfach ausländisches Leder beziehen, um nur einige wenige Bei 
spiele anzuführen. Die Fabrication der Kirchenfenster macht wesentliche 
Fortschritte, seitdem die Tiroler Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck das so 
genannte Kathedralglas, das man früher nur aus England bezog, selbst 
en-gros erzeugt. 
In anderen Zweigen wieder ist Rohmaterial, Holz, Porcellanerde, 
Marmor, Granit, Eisen hinlänglich vorhanden; aber es fehlt an einer ent 
sprechenden Verwerthung des Rohmaterials, an einem intelligent genug 
geleiteten Fabriksbetrieb. Diese in der Natur der Dinge liegenden Ab 
hängigkeitsverhältnisse der Kunstindustrie von der Grossindustrie und der 
Verarbeitung der Rohmaterialien zeigt deutlich, von welchem Werthe es 
für die gesammte Kunstindustrie ist, wenn Chemie, Mechanik, Technologie 
mitwirken, und Gewerbevereine und technische Schulen einen beleben 
den Einfluss auf die gesammte Industrie ausüben. 
Allerdings gibt es noch immer ganze grosse Fabriksgebiete, wo es, 
wie bei der Cassenfabrication, aus technischen Gründen ausserordentlich 
schwer ist, den Anforderungen des Geschmackes erhöhte Rechnung zu 
tragen, oder wo, wie auf dem Gebiete der Glasindustrie, es nicht möglich 
geworden ist, die Unbildung des Geschmackes oder die Apathie der 
Fabrikanten zu besiegen. »Wenn wir, — so sprechen manche Porcelian- 
und Glasfabrikanten, — mit unserer Mittelwaare, die den Kennern ebenso 
missfällt, als sie dem Publicum gefällt, so glänzende Geschäfte machen, 
sollen wir uns bemühen, mehr zu machen als verlangt wird? — wir 
reichen mit unseren Arbeitskräften ohnedem nicht aus; es kommen uns 
mehr Bestellungen zu, als wir effectuiren können.« 
Manches Wahre liegt in diesem Raisonnement; für manchen Produ 
centen, inbesonders für den, welcher seinen Markt nicht erweitern kann, 
eine Rechtfertigung. Aber für eine ebenso grosse Anzahl von Fabrikanten 
ist diese Art, sich zu rechtfertigen, nur Vorwand. So sprechen, nicht 
blos auf dem Gebiete der Kunst oder Kunstindustrie, auch auf dem der 
schönen Literatur, der Musik, alle jene, die etwas Gutes weder erzeugen 
wollen noch erzeugen können. So sind die Vertreter des Schlechten, die 
den Unsinn der Mode noch überbieten, noch thörichter sein wollen, als 
die Tagesthorheit des Publicums. Und das sind Erscheinungen, für die 
wir keine andern Worte haben, als die des Tadels, das sind Richtungen, 
die zu bekämpfen unser Beruf ist. 
Es ist möglich, dass diese Industriellen im Moment ihre Rechnung 
finden und ihr Geschäft machen, wenn sie auf die niedere oder schlechte
	        
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