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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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sich auf einem grossentheils schon veralteten Standpunkte. Nur wenige 
von den Ausstellern der Kronländer gehen auf die Forderungen des mo 
dernen Geschmackes vollständig ein, die meisten beharren bei ihren bis 
herigen Gewohnheiten und stellen sich mit den Erfolgen zufrieden, die 
sie auf beschränktem Gebiete in beengten Kreisen finden. Das war wohl 
mehr ein Grund, warum sehr viele Industrielle ihre Anmeldungen zurück 
gezogen haben ; sie hatten eben das Gefühl, auf einer Ausstellung nicht 
vollständig genügen zu können, bei der erhöhte Ansprüche gemacht 
wurden. Dazu kommen noch politische Verhältnisse, welche hemmend 
auf die kunstindustriellen Productionen in den Kronländern wirken. 
In manchen Kronländern stehen sich die Nationalparteien schroff 
gegenüber und die Aufmerksamkeit der Gewerbetreibenden und Indu 
striellen ist durch politische Agitationen absorbirt. 
Triest gravitirt nach seiner ganzen Geschmacksrichtung nach Italien; 
was dort producirt wird, steht nicht in demselben Verhältniss zu Wien, 
wie dieselben Productionen von Marseille und Lyon zu Paris. Die Kron 
länder untereinander sind nichts weniger als in einem intimen Connexe; 
nur die Grossindustrie und der Eisenbahn-Verkehr, die zwingende Gewalt 
der industriellen Bewegung, welche alle provinziellen Schranken durch 
bricht, nur die Bedürfnisse der Grossstädte und des Weltmarktes sind es, 
die zu einer gewissen gemeinsamen Action auch diejenigen drängen, welche 
innerlich derselben sich widersetzen. Dazu kömmt noch, dass die meisten 
Landes-Museen historische, archäologische und nationale Zwecke verfolgen, 
sich um die kunstindustriellen Bedürfnisse der Kronländer gar nicht küm 
mern. Ihre Sammlungen sind im Winter meistens geschlossen, im Sommer 
grossentheils nur für den Fremden-Verkehr berechnet, und nützen daher 
der Kunstindustrie des Landes relativ sehr wenig. Das Oesterr. Museum 
ist zwar bemüht diese Apathie der Kronlands-Institute durch Filial-Aus- 
stellungen zu durchbrechen, und einigermassen Reformideen - zur Forde 
rung der Geschmacksbildung in den Kronländern zum Durchbruche zu 
bringen; aber noch ist sehr Vieles zu thun, um die dem Fortschritte ent 
gegen stehenden Elemente in den Kronländern zu beseitigen. Auch die 
Gewerbe-Vereine thun selten und wenig, was in dieser Beziehung wün- 
schenswerth wäre. In den Sommermonaten halten dieselben gewöhnlich 
keine Sitzungen und auch in den Wintermonaten beschäftigen sie sich oft 
mehr mit nationalen und politischen, als mit gewerblichen Fragen. Erwägt 
man alle diese Umstände, — und die Zahl der hemmenden Elemente 
könnte noch bedeutend vermehrt werden, — so wird man nicht umhin 
können, dasjenige mit Anerkennung und Wohlwollen zu beurtheilen, was 
von einzelnen Kronländern auf der Museal-Ausstellung geleistet wurde. 
Je schwieriger es für einen strebsamen Geist ist, sich unter diesen Ver 
hältnissen herauszuarbeiten, desto aufmerksamer müssen darnach die Lei 
stungen beurtheilt sein, in denen das Bessere wenigstens angestrebt wird. 
Unter den Kronländern, die auf der Ausstellung erschienen sind,
	        
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