chene künstlerische Individualität, ohne alle Frage das erste lalent aut
dem Gebiete der kleinen figuralen Plastik in der gesammten deutschen
Kunst. Ausgestattet mit einem reichen Fonde schaffender Phantasie, zeich
nen sich alle seine Arbeiten durch eine eigenthümliche Poesie aus, einen
feinen Schönheitssinn in den Linien, eine keusche aber doch lebens
volle Behandlung des Nackten und durch eine bis ins Kleinste gehende
vollendete Durchführung im Detail. In der Ausführung in Bronze lassen
sich oft die Vorzüge seiner plastischen Entwürfe nicht vollkommen beur-
theilen; denn so grosse Fortschritte auch unser Bronzeguss in den letzten
Zeiten gemacht hat, so geht er doch nicht immer auf alle Feinheiten des
Originales ein; auch stören häufig im Bronzeguss allzugrelle Metall-Lichter
den Genuss des plastischen Kunstwerkes. Professor König hat daher
schon Recht gehabt, ausser seinen von Hanusch, Grüllemeyer und
Turbain ausgeführten Bronzearbeiten, noch einige Compositionen in
Gyps zur Ausstellung zu bringen, darunter einige, die für den in Bronze
ausgeführten, vom Kaiser bestellten Tafelaufsatz gehören, ausserdem noch
eine Venus mit einem Amor, der einen Spiegel in der Hand hält und
eine trauernde Victoria, bestimmt für ein Kaiser Max-Monument. Hoffent
lich wird es dem Künstler in nicht zu ferner Zeit möglich sein , seine
sämmtlichen Modelle und Entwürfe , von denen die wenigsten noch aus
geführt wurden, zur Ausstellung zu bringen.
Seit den Zeiten Grassi’s*), also seit mehr als einem halben Jahrhun
dert, hat es in Wien kein entschiedenes Talent für kleine figurale Plastik
gegeben. Professor König füllt diese Lücke in einer wahrhaft glänzenden
Weise aus. Die Arbeiten Grassi’s lehnen sich an die Antike und an
die Richtung Füger’s an, nicht ohne einen gewissen Beigeschmack von
jener weiblichen Grazie, die in der barocken Zeit an der Tagesordnung
war. Die Arbeiten von Professor König gehören mit ihrer ganzen Welt
anschauung der modernen deutschen Schule an und stehen mit jener
eigenthümlichen neudeutschen Romantik und Stilistik in Verbindung, die
speciell in den Werken Semper’s, Hähnel’s, Rietschel’s, Schnorr’s
und Ludwig Richter’s in Dresden zum Durchbruche gekommen ist. Ein
eminenter Zeichner, wie König es ist, fehlt es ihm auch nicht an Ge
wandtheit des Geistes, um den zartesten Gemüths- und Seelenstimmungen
in seinen plastischen Werken einen sprechendea Ausdruck zu geben.
Voll von Hingebung an seine Kunst und auch an den Gegenstand,
welchen er darstellt, führt er seine plastischen Arbeiten mit grösster Voll
endung aus. Er weiss es auch seine Schüler in die Geheimnisse des Pla
stischen einzuführen und sie zu einer gleich gewissenhaften Durchbildung
anzueifern. Mehrere von seinen Schülern sind auch mit ganz achtbaren
Erfolgen auf der Ausstellung aufgetreten, wie die Modelleure Kusch-
*) Mehrere Gruppen nach Modellen Grassi’s und seiner Zeit befinden sich, von
De Cente ausgeführt, auf der Ausstellung.