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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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Wie diese eben so sehr auf Befriedigung der Anforderungen Einzelner, 
als auch auf Befriedigung von Massenbedürfnissen gerichtet ist, so muss 
sie auch eine grosse Anzahl gut geschulter Zeichner und auch solcher 
Zeichner zur Verfügung haben, welche im Stande sind, sowohl auf be 
stimmte Anforderungen des Stiles, als auch auf das Technische der ein 
zelnen Fabricationszweige einzugehen. Die Zeichnungen müssen nicht blos 
an und für sich schön, sondern sie müssen auch ausführbar sein; für den 
Fabrikanten, den Grossindustriellen ist jene Zeichnung die beste, welche 
Schönheit mit Ausführbarkeit verbindet. Soll irgend ein Fabrications- 
zweig in Schwung kommen, einen erhöhten Absatz durch eine stilgerech 
tere Zeichnung, eine gelungene Farbenzusammenstellung erreichen, so 
muss eine genügende Zahl fachmännisch und tüchtig gebildeter Zeichner 
vorhanden sein. Diese fehlten der gesammten deutschen Industrie nicht 
minder als der österreichischen, und fehlen theilweise noch bis auf den 
heutigen Tag. 
Man half sich entweder dadurch, dass man illustrirte Zeitungen und 
Kataloge ausbeutete, wie die Stuttgarter »Gewerbehalle«, die Münchener 
»Kunstgewerbliche Zeitung«, die »L’Art pour tout«, die illustrirten Brock- 
haus’schen Weltausstellungskataloge oder andere, mit Zeichnungen ver 
sehene Special-Publicationen — man half sich in der Regel in einer nicht 
sehr glücklichen Art. Denn auch das Uebertragen oder Bearbeiten einer 
schon vorhandenen Zeichnung setzt ein gewisses künstlerisches Verständ 
nis voraus. In dieser Benützung von artistischen Publicationen kam den 
Bedürfnissen jener Industriellen, denen es entweder an Geld oder gutem 
Willen fehlt, kunstgebildete Zeichner in Anspruch zu nehmen, die unge 
nügende Musterschutz - Gesetzgebung zu Statten; sie konnten weidlich 
plündern, wo sie etwas Gutes fanden, ohne in Gefahr zu gerathen, wegen 
dieses geistigen Diebstahls mit den Gerichten in unangenehme Berührung 
zu kommen. 
Bei dieser Art von Gebahrung wurde die gesammte Industrie in 
einer steigenden Progression von Frankreich abhängig; dort gab es unter 
dem. Schutze einer guten Gesetzgebung bereits geschulte Zeichner und 
Ateliers für Musterzeichnungen; auch der artistisch-literarische Markt wird 
von Frankreich aus viel mehr mit brauchbareren Publicationen versehen 
als es von England, Italien und Deutschland aus geschieht. Viele der 
intelligenteren Grossindustriellen waren förmlich genöthigt in Paris seihst 
Zeichner für ihre Zwecke zu beschäftigen, wie die Shawl- und Spitzem 
fabnkanten etc. Auch die sog. Musterlager wirken in dieser Beziehung 
häufig eher schädlich als nützlich, insbesondere dann, wenn den Leitern die 
Einsicht in die Bedingungen eines kunstgewerblichen Betriebes abgeht. Sie 
leiten häufig mehr an, Fremdes geschickt oder ungeschickt zu benützen, 
als selbstständig zu denken und zu schaffen. Und für ein grosses Pub 
licum ist es ja doch am Ende nur darum zu thun, dass Etwas eine fran 
zösische, oder englische oder überhaupt fremdländische Facon habe, —
	        
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