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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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etwas Unfertiges, von anderen Uebelständen abgesehen, und ist zugleich 
ein Styl, der in den letzten Jahrzehnten viel versucht, doch vom modernen 
Gefühl und dem modernen Bedürfniss zurückgewiesen wird. In der Go- 
thik wie in der deutschen Renaissance ruht bei der Wohnungsausstattung 
der Hauptcharakter auf der Holzvertäfelung. Diese ist denn für Wand 
und Plafond in dem in Rede stehenden Zimmer in solidester und reichster 
Weise in Anwendung gekommen. Das Material ist Eichenholz. Die archi 
tektonische Gliederung wie die geschnitzten Ornamente, mit denen alles 
bedeckt ist, sprechen von der Absicht, das Werk in möglichst vollkom 
mener Weise durchzuführen. Der Sache Farbe zu verleihen sind die 
oberen Füllungen der Vertäfelungen mit grüner Seide überspannt, auf 
welche Ornamente gemalt sind, während über ihnen ein rother Fries sich 
rings herum zieht. Um dem Raume das poetische Zwielicht, das farbige 
Lüstre der alten Zimmer zu geben, sind auch hier die Fenster mit Ma 
lereien oder Butzenscheiben verschlossen. Nothwendig war es, um den 
vollen Eindruck der Wohnlichkeit und Behaglichkeit hervorzubringen, das 
Zimmer mit allem, was dazu gehört, zeit- und stylgemäss auszustatten; 
es war aber Bedingung, dass auch dieses alles österreichisches und neues 
Fabricat sein musste. So sehen wir an vier Ketten einen Messinglüstre 
nach altem Styl herabhängen, Bänke und Sessel stehen in den Fenster 
nischen, Tische in den Ecken und in der Mitte des Zimmers zu den 
beiden Seiten eines grossen Doppelsopha’s; mitten in der Vertäfelung steht 
ein prachtvoller Kamin, ihm gegenüber ein büffetartiger Wandkasten; 
Sessel, Bänke, Vorhänge zeigen alle den entsprechenden gewebten Stoff, 
der aus der Fabrik von Giani hervorgegangen ist, während es nirgends 
an dem kleineren Geräth von Gläsern, Metallgeräth, Poterien u: dgl. fehlt, 
wie es für solche Räume nothwendig ist, selbst nicht an Laute und Spinn 
rocken. Bei solcher Ausstattung verfehlt das Zimmer auch nicht des Ein 
drucks, den es machen soll, zumal wenn das Tageslicht abgesperrt und 
die Kerzen angezündet sind. 
Die beiden Zimmer des Herrn Haas, zu welchen die Angaben und 
Entwürfe von Prof. Storck herrühren, gehen, ohne sich an einen be 
stimmten Styl anzuschliessen, ganz darauf aus, dem modernen Gefühl und 
der Bestimmung der Räume Rechnung zu tragen; sie sollen zugleich das, 
wozu sie bestimmt sind, auch in eminentem künstlerischem Sinne dar 
stellen. Beide sind reich und vornehm in ihrer Art, beide legen den 
Nachdruck auf gewebte Stoffe, welche auch die Wände bekleiden, beide 
sind insofern gleichen Charakters und sind doch grundverschieden, je 
nach der Bestimmung, der sie zu dienen haben. 
Das eine dieser Zimmer ist ein Herrenzimmer. Als solches der Ar 
beit, dem Studium oder der beschaulichen Ruhe gewidmet, verlangt es 
einen gewissen Ernst der künstlerischen Haltung, Einfachheit der Formen, 
Ruhe der Farben. Was es an Ausschmückung erhält, muss edel sein, 
bedeutend, würdig, aber ohne blendenden Glanz und Schimmer. Dem-
	        
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