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räthe dagegen sind schwer zu charakterisiren; es fehlt ihnen nicht art
eigener ausgeprägter Physiognomie, aber es gebricht ihnen an schöner
und schön gegliederter Form, sowie an dem entsprechenden Ornament.
Willkür, jedoch eine Willkür in engem Kreise, ist die vorherrschende
Charaktereigenschaft. Das ganze Genre, das die Individualität seines Mei
sters und Urhebers ganz gut vertritt, kann heute nicht mehr Stich halten
und muss durch edlere Formen und edle Ornamente, denen die Re
naissancearbeiten zum Vorbild dienen mögen, ersetzt werden.
Aehnlich beginnt die grossartige Collection der Silberarbeiten von
Klinkosch mit Reminiscenzen einer nunmehr glücklich vergangenen oder
doch wenigstens zum grössten Theile verschwundenen Zeit, aber sie endet
nicht damit. Die Ausstellung umfasst die glänzendsten Erzeugnisse einer
Reihe von Jahren und ist insofern, ausserdem dass sie Zeugniss ablegt
von der Bedeutung dieses Etablissements, auch historisch interessant. Dass
ihre Arbeiten darum mit dem Naturalismus beginnen, der, genährt und
gepflegt durch kostspielige Wettrennpreise und sonstigen Sport, vielleicht
in den grossen Silberarbeiten am meisten geschwelgt hat — wenigstens
auf dem plastischen Gebiete — ist an sich kein Tadel. Sie stammen eben
aus einer Zeit, wo der Naturalismus die Herrschaft hatte. Die Zeit ist
hoffentlich nicht mehr ferne, wo solche Arbeiten nicht mehr künstlerische,
sondern nur noch kunstgeschichtliche Bedeutung haben werden. Ganz
freilich ist sie noch nicht gekommen, denn in England, dem Lande des
Sports, huldigt man gerade in diesen Gegenständen und fast allein noch
in diesen, wie die Ausstellung von 1871 lehrte, dem Naturalismus, wenn
auch keineswegs mehr so ausschliesslich wie früher. Um so höher ist der
Fortschritt anzuschlagen, den das Etablissement von Klinkosch mit
seinen neuesten Arbeiten gemacht hat. Wir meinen hiermit besonders das
grossartige Tafelgeräth für den Grafen Edmund Zichy. Vielleicht ist auch
hier dem figürlichen Theil, namentlich in der dramatischen Bewegung
freier Figuren, zu viel Spielraum gegeben, man erkennt aber doch voll
kommen das Bestreben, erstens jedem Gefäss und Geräth eine schöne
Form und gute reine Contour zu geben, und zweitens die Figuren in den
Hauptlinien, die sie bilden, an die Configuration des Geräthes anzu-
schliessen und ihr unterzuordnen. Und so muss es sein.
Wenn wir die Ausstellung von Klinkosch im Allgemeinen betrach
ten, so wird uns noch eine Seite daran auffallen, das ist die Farblosigkeit.
Was bei den naturalistischen und überhaupt bei den grösseren Silberar
beiten der letzten Jahre die Regel war, dass sie die weisse Silberfarbe
behalten haben, das ist auch bei den neuesten Arbeiten, zumal bei dem
erwähnten Tafelservice der Fall. Nur wenige Beispiele, ein paar Services
für Thee und Caffee und einige andere kleinere Gegenstände machen
eine Ausnahme. In Anbetracht, dass die weisse Silberfarbe, sowohl polirt
wie matt oder oxydirt, zur Decoration wenig günstig ist und noch un
günstiger erscheint bei plastischen Arbeiten, die einen leichenhaften An-