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trachtung des Ganges der Dinge,, im Hinblick auf die kunsthistorische
Entwicklung der letzten Perioden wenigstens sehr begreiflich, dass Jünger
des Renaissancestiles nicht archäologisch getreu in einem so anders be
schaffenen Styl, wie es der alte deutsch-romanische ist, selbstständig werden
schaffen können und wollen, wir verargen es ihnen gar nicht, wenn sie
sich nicht entschliessen können, die Augen, Mund und Nase in den dar
gestellten Gesichtern durch dicke Umrisse des vergoldeten Plattengrundes
zu geben, es widerstrebt allzusehr der gefälligen, zierlichen Weise ihres
gewohnten Styles. Der Freund der Renaissance mag seine Weise schöner
finden, als jene der alten Kölner Emails, und der Künstler der Neuzeit
mag vielleicht es kaum über das Herz bringen, streng altertümlich Neues
zu schaffen; — wir glauben das gerne, unser archäologisches Gefühl hat
aber doch auch sein bischen Recht.
Sehen wir doch auf den ersten Blick, welches das natürlich zube
stimmte Gebiet des genannten Künstlers ist, sobald wir die eleganten
Festons, die zierlichen Gewinde von Blumen und Bändern an dem Mittel
stucke des Tafelaufsatzes betrachten, welcher im Aufträge Sr. Majestät
v oHendet worden ist. Im hellsten durchsichtigen Schimmer, den der milde
Silbergrund noch bedeutend hebt, leuchten diese Guirlanden entgegen. Die
Farben haben beinahe die Klarheit des Glases und sind durchaus rein
herausgekommen; besonders das liebliche Grün und das satte Gelb ist
trefflich gelungen. Im Roth scheint es, als wären die Vorbilder der
Florentiner Emailhrkunst des i5. Jahrhunderts noch nicht völlig erreicht.
Auch dieses Werk verdankt seine technische Vollendung dem schon ge
nannten Emailleur Chadt, dem fast alle in der Ausstellung befindlichen
Arbeiten angehören.
Translucide Emails ornamentaler Zeichnung auf silbernem Grunde
schmucken auch eine Cassette von vergoldeter Bronze aus dem Atelier
Hollenbach. Wir verrathen hiermit den verborgen gebliebenen Zeichner
dieser guten Ornamente, Architekt Franz Riewel. Auch diese Emails
sind im Renaissancestyl entworfen, in coloristischer Hinsicht zeichnen sie
sich durch ein angenehmes Blau aus, welches namentlich zu dem Silber
gut stimmt. Das eigentliche Gebiet des Künstlers aber ist die Kunst
einer alteren Periode, wir haben somit gerade den entgegengesetzten Fall
gegen den früheren. Von demselben Künstler rührt nämlich die Zeich
nung der grossen Emailpiatten her, welche — wieder von C h a d t vor
züglich ausgeführt, — den gothischen Altar des Formators J. Hainze in
Wien schmücken. Es sind etwa %' hohe Figuren von Heiligen, auf
lichtblau emailhrtem Fond, in Styl und Technik überaus getreu in der
Weise der romanischen Emails kölnischen Ursprungs vollendet. Die ganze
bigur wird durch die stehengelassenen Plattentheile gebildet und nur
schmale Innencontouren, Faltenzüge etc. sind durch die dem blauen Grunde
gleichartige Füllung ausgedrückt. Solche Emails, gewissermassen das
v\ iderspiel derjenigen, welche die Umgebung der Figur durch das ver-