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Volltext: Die Ausstellung oesterreichischer Kunstgewerbe 4. November 1871 - 4. Februar 1872

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trachtung des Ganges der Dinge,, im Hinblick auf die kunsthistorische 
Entwicklung der letzten Perioden wenigstens sehr begreiflich, dass Jünger 
des Renaissancestiles nicht archäologisch getreu in einem so anders be 
schaffenen Styl, wie es der alte deutsch-romanische ist, selbstständig werden 
schaffen können und wollen, wir verargen es ihnen gar nicht, wenn sie 
sich nicht entschliessen können, die Augen, Mund und Nase in den dar 
gestellten Gesichtern durch dicke Umrisse des vergoldeten Plattengrundes 
zu geben, es widerstrebt allzusehr der gefälligen, zierlichen Weise ihres 
gewohnten Styles. Der Freund der Renaissance mag seine Weise schöner 
finden, als jene der alten Kölner Emails, und der Künstler der Neuzeit 
mag vielleicht es kaum über das Herz bringen, streng altertümlich Neues 
zu schaffen; — wir glauben das gerne, unser archäologisches Gefühl hat 
aber doch auch sein bischen Recht. 
Sehen wir doch auf den ersten Blick, welches das natürlich zube 
stimmte Gebiet des genannten Künstlers ist, sobald wir die eleganten 
Festons, die zierlichen Gewinde von Blumen und Bändern an dem Mittel 
stucke des Tafelaufsatzes betrachten, welcher im Aufträge Sr. Majestät 
v oHendet worden ist. Im hellsten durchsichtigen Schimmer, den der milde 
Silbergrund noch bedeutend hebt, leuchten diese Guirlanden entgegen. Die 
Farben haben beinahe die Klarheit des Glases und sind durchaus rein 
herausgekommen; besonders das liebliche Grün und das satte Gelb ist 
trefflich gelungen. Im Roth scheint es, als wären die Vorbilder der 
Florentiner Emailhrkunst des i5. Jahrhunderts noch nicht völlig erreicht. 
Auch dieses Werk verdankt seine technische Vollendung dem schon ge 
nannten Emailleur Chadt, dem fast alle in der Ausstellung befindlichen 
Arbeiten angehören. 
Translucide Emails ornamentaler Zeichnung auf silbernem Grunde 
schmucken auch eine Cassette von vergoldeter Bronze aus dem Atelier 
Hollenbach. Wir verrathen hiermit den verborgen gebliebenen Zeichner 
dieser guten Ornamente, Architekt Franz Riewel. Auch diese Emails 
sind im Renaissancestyl entworfen, in coloristischer Hinsicht zeichnen sie 
sich durch ein angenehmes Blau aus, welches namentlich zu dem Silber 
gut stimmt. Das eigentliche Gebiet des Künstlers aber ist die Kunst 
einer alteren Periode, wir haben somit gerade den entgegengesetzten Fall 
gegen den früheren. Von demselben Künstler rührt nämlich die Zeich 
nung der grossen Emailpiatten her, welche — wieder von C h a d t vor 
züglich ausgeführt, — den gothischen Altar des Formators J. Hainze in 
Wien schmücken. Es sind etwa %' hohe Figuren von Heiligen, auf 
lichtblau emailhrtem Fond, in Styl und Technik überaus getreu in der 
Weise der romanischen Emails kölnischen Ursprungs vollendet. Die ganze 
bigur wird durch die stehengelassenen Plattentheile gebildet und nur 
schmale Innencontouren, Faltenzüge etc. sind durch die dem blauen Grunde 
gleichartige Füllung ausgedrückt. Solche Emails, gewissermassen das 
v\ iderspiel derjenigen, welche die Umgebung der Figur durch das ver-
	        
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