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blicken wir diese selbst in der Gesammtheit ihrer Leistungen, wie sie sich
auf der Ausstellung des Museums im verkleinerten aber immerhin halb
wegs zutreffenden Gesammtbilde darstellt, so finden wir, dass gegenwärtig
das opake Glas eine ausserordentlich wichtige Rolle spielt.
Das böhmische Glas hat eine reiche Vergangenheit; im Gegensätze
zum Venetianer Glase, das seinen künstlerischen Charakter hauptsächlich
durch die Schmelz- und Löthprocesse erhielt, ist bei ersterem immer
vorwiegend die Bearbeitung und künstlerische Ausschmückung durch den
Schliff in Anwendung gewesen, dessen Kenntniss in Böhmen ohne
Zweifel von der in Prag unter Rudolf II. in Blüthe gestandenen Bergkry-
stallschleifer-Schule datirt. Bis um Ende des vorigen und selbst bis in
die ersten Jahrzehnte dieses Jahrhundertes hat das böhmische Glas seine
decidirten Stylcharakter ziemlich treu bewahrt, so dass die Arbeiten sogar
aus jener späten Zeit heute noch immerhin als nachahmungswerthe Muster
dienen können; erst etwa in den letzten 3o Jahren ist hier ein Verfall
des Kunstgeschmackes eingetreten, dem entgegenzuarbeiten, und die Glas
industrie wiederum auf die richtigen Wege zu bringen, einer der wichtig
sten Operationspunkte der Reformbestrebungen auf kunstindustriellem
Gebiete sein muss. Es jist beim Glase nicht in gleichem Maasse wie bei
den Techniken der Bearbeitung der gebrannten Erde, die die Gegenwart
kaum um eine Species bereichert hat, immer sofort möglich, auf historische
Analogien und alte Vorbilder zu recurriren, denn die Mannigfaltigkeit der
Glassorten von heute hat durchaus nicht ihre Parallelen in früheren Epochen,
aber das Studium der Bedingungen, unter denen die natürlichen Eigen
schaften des Glases ihre wahre künstlerische Verwerthung finden können
und sollen, wäre, richtig erfasst, schon an sich geeignet, eine Menge Miss
griffe zu vermeiden und wenigstens vom Grunde aus Verfehltes aus der
Production fernzuhalten. Es ist hier nun freilich nicht der Ort auf
diesen Punkt weiter einzugehen, wie sich denn auch eine solche Erör
terung nicht ohne stete Rücksicht auf die Gesetze der ornamentalen
Kunst überhaupt ausführen liesse; wir wollen aber unsere Uebersicht nach
den verschiedenen auf der Ausstellung repräsentirten Classen der Glas-
waaren anordnen, um so, soweit es hier angeht, die künstlerischen Ge
sichtspunkte, die bei ihnen massgebend sind, hervorzuheben.
Nach den bei dem Glase sichtbar hervortretenden Bildungsproces
sen lassen sich die Arbeiten aus Glas in zwei Hauptgruppen, die jedoch
untereinander mancherlei Uebergänge haben, sondern: je nachdem man
das Glas als eine harte krystallartige Masse, die ihre Form durch Schleifen
und ähnliches Bearbeiten (als schon harter Körper) erhalten hat, denkt,
oder den ursprünglich weichen, Schmelz- und dehnbaren Zustand in der
Formgebung und Verzierung zum Ausdrucke gelangen lässt. Im soge
nannten Krystall finden wir die erstere, in den Alt-Venetianer Glasarbeiten
die letztere Auffassungsweise zur Geltung gebracht.
Das von der Firma J.&L. Lobmeyr und Mayer’s Neffe in Adolf