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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 88)

7 Einblick in cin „Kunsl- und Naxurulienkrllrirlen". Von 
Guiseppc Mirelli (1634-1118) gestochcncs Titelblatt 
zus Lorenzo Legari „Minen Coxpiana rmexxu n quelle del 
fnmoso Ulixsz Aldmllundi" Bologna 1677. das Ferdinando 
Cospi seiner Vaterstadt zum Geschenk gemacht haue. 
Die Inschrift über den Regalen "ERUDTFA HAEC 
ARTIS ET NATURAE MACHINAMENTA AD 
EXCITANDAM ANTIQUITATIS MEMORIAM 
FERDINANDUS EQ. BAYUL: ABRETII MAR. 
PETRIOLI SENATORQ DE COSPIS SUPERAN- 
DAE DICAVIT IMMORTALITATI" bezeichnet 
Zweck und Art der Stiftung. 
8 Deekclhumpen. Silber, zum Teil vergoldet; getrieben. 
gegossen, graviert. Meisteruichen TB (wohl nicht m); 
datiert „ANNO 15 ". Wahrscheinlich Salzburg, 
Ehemals im Hamburger Kuusthandel. Die reizvollen 
szenischen Darstellungen - s. die lnschriften - nach 
dem Alten "mrarnenr (Daniel in der Löwengrube) und 
eine nach Ovids Metamorphosen (Fahrt des Phzeton 
im Sonnenwaäen). Auf dem Deckel David mit dem 
Haupr des Goiath. Ehemals in der sarnrnlung Prings- 
heim, München 
9 Trinlrgcfäß in Form eines aufspringenden Stiercs. 
silber. vergoldet; gegossen. getrieben, ziseliert. Ohne 
Marken; wahrscheinlich von Jdbanner Lencker (um 
1573-1537). Museum rur Kunst und Gewerbe, Hamburg 
(Inv.-Nr. 19356). Lencker gehörte zu den bekanntesten 
Goldschmieden Augsburg. Zu der gegen 1610m 
emsundenen Figur gehörte ehemals noch die Gestalt 
einer Europa. 
10 Sogenznnter Jungrrauenbeeber. silber, vergoldet; ge- 
gossen und graviert. Marken anr Fußrznd: Sradrbeschqli 
Nürnberg und "ST" (ligierr) rur Thomas SIOC! d. A. 
(gestorben 1611). Nürnberg. um 1600. Museum rir 
Kunst und Gewerbe, Hamburg (lnu-Nr. 1954.17). 
Der eigentliche Becherteil zwischen den Anncn fnri 
beweglich. Stoer War seil 1594 in Nürnberg, seil 1597 
Meister 
11 Gnadeupfennig mit Bildnis Herzog Ferdinand: VOn 
Bayern. Gold und Enlaillefasung mit Perle. Süddcutxch- 
land. Um 1600. Mißeum fir Kunst und Gewerbe 
(lnm-Nr. 192.48). Einfaches, aber typisches Beispiel 
rrir nnniei-iuirelre Formen der Famung 
 
 
Im folgenden soll an Hand einer Reihe von 
Bildern, Stichen des l6.[17. und frühen 
18. Jahrhunderts ein Einblick in die Vielfalt 
der Bestände in der „Kunst- und Wunder- 
kammer" des Barock gegeben werden, ohne 
daß versucht wird, einzelne dargestellte 
Gegenstände mit noch heute in den ver- 
schiedensten Sammlungen erhaltenen zu 
identiiizierenl. Es wird weitgehend auf 
eine Beschreibung der Objekte der Natur- 
wissenschaft, auch der Musik, aber auch 
vieler „naturalif verzichtet, und bei den 
eigentlichen „Curioxa Artijirialia", den 
künstlerischen Raritäten, liegr der Schwer- 
punkt auf den Werken des 16., vor allem 
des 17. Jahrhunderts als der Zeit der 
größten Verbreitung und Blüte der barok- 
ken „Kunst- und Wunderkammer"4. 
Das Gemälde „RaritätenkabinetW von 
Frans Francken lI., dem jüngeren, von 1636 
(Abb. 1) zeigt in aller Deutlichkeit das 
scheinbare DurcheinanderS, das in dem 
Gemach eines Kunstsammlers oder, was 
hier wahrscheinlicher erscheint, eines 
Kunsthändlers, herrscht. Auf die mögliche 
allegorische Bedeutung der Kunstkammer- 
bilder Franckens als Selbstdarstellung der 
„Pirlurf mit den übrigen Künsten im 
Hinblick auf die „Virtus" oder als Dar- 
stellung des „Visus" (Sinnesfolgen) hat 
M. Winner hingewiesenb. Im folgenden 
wird jedoch nur der rein „dokumentarische" 
Wert der gemalten Kunstsammlung be- 
rücksichtigt, und zwar im Hinblick auf 
die Werke der Kleinkunst. Mitten unter 
den zahlreichen merkwürdigen Schnecken- 
häusern und Muschelschalen, neben kost- 
barem Schmuck und wertvollen Gold- 
schmiedearbeiten, Schalen, Bechern, Po- 
kalen, steht die wohl aus Ton gebildete 
Figur einer Muttergottes mit dem Kind, 
die im plastischen Stil an ilämische Werke 
aus der Umgebung des Peter Paul Rubens 
erinnert. Im Hintergrund die Liegei-igur 
eines antiken Gottes und vor dem großen 
Gemälde einer Allegorie auf die Wissen- 
schaft das Bild der Madonna im Blüten- 
kranz, an dessen Rahmen ein Bildnisrelief 
lehnt (vielleicht auch eine Grisaille), das 
die Signatur des Malers zeigt und sein 
Selbstporträt wiedergibt. Rechts hinter 
einer Glasflasche ein Globus und Manu- 
skripte in einem Kasten; im Durchblick 
erkennt man zwei diskutierende Männer 
vor einem aufgeschlagenen Folianten, viel- 
leicht der Händler und sein Kunde, der 
Sammler und sein Freund. Über den 
Büchern im Regal Finden sich eine antiki- 
sche Venusstatuette und zwei Büsten. So 
stehen die Werke profanen und religiösen, 
zweckfreien und nützlichen Inhalts neben- 
einander, wobei jedoch die der angewandten 
Kunst und die der Malerei und Bildnerei 
die „naiuralia" überwiegen. Ein anderes 
Beispiel: Die Berliner Kunstschätze und 
Sehenswürdigkeiten waren in räumlicher 
Weite und nach Gebieten getrennt aufge- 
stellt; die „Kunst- und Wunderkammer" 
enthält - nach Andreas Schlüters Neubau 
ä u. a. allerdings nicht das Münzen- und 
Medaillenkabinett, auch nicht die Antiken- 
sammlung, umfaßt aber später ein eigenes 
Kabinett für die Instrumente, eine Kammer 
für die Modelle und auch ein Zimmer 
für die Elfenbein- und Bernsteinsammlung. 
Schlüters Kunstkammer lag i auch aus 
Gründen der Sicherheit - in den obersten 
Stockwerken des Schlosses. Der Blick in 
die Kunstkammer des Berliner Schlosses 
vor dem Neubau (Abb. 2) zeigt die Kenner 
und Interessenten zwischen den Samm- 
lungsschränken mit zahlreichen Fächern 
und Schubladen für die Münzen und 
Medaillen, vor den hohen Tischen, in 
deren weiteren Fächern kleinere Objekte 
Platz fanden und auf denen Figuren, 
Gruppen und Büsten stehen7. 
An der Stelle der Madonnenstatuettc im 
Bilde Franckens (Abb. 1) könnte auch die 
virtuos geschnittene Buchsbaumholzfigur 
des hl. Sebastian (Abb. 3) stehens, deren 
Künstler S. Lang wahrscheinlich in Süd- 
deutschland tätig war, ohne daß sich 
bisher weitere Werke zu dieser 1631 da- 
tierten Statuette gefunden haben. Ein 
ausgesprochenes Kunsrkammerstück ist die 
Adam-und-Eva-Gruppe (Abb. 4) des Albert 
Jansz Vinckenbrinck aus der Mitte des 
17.Jahrhunderts,derenFigurentypenaufden 
ersten Blick an das frühe 16. Jahrhundert 
denken lassen. In der Tat scheint diese 
Buchsbaumholzgruppe 7 in anderer Weise 
als der hl. Sebastian Langs dem Manieris- 
mus f in der Liebe zum klcinteiligen 
Detail, in der Schärfe der Formen der 
Dürer-Zeit verwandt, dessen Name nur zu 
oft gerade für Sehnitzwerke des 17. jahr- 
hunderts bemüht wurde. „1 Ovidisches 
Stuck welches Albrerbl Tjer im buchsbaum- 
holtz geschnitten", „l bildt der Mutter 
Gottes über das Gebürg zu Elisabeth 
reisend, welches Albrecht Tjer geschnitten", 
heißt es im Kunstkammerinventar vom 
8. januar 1666 der Herzöge Franz Erdmann 
und Julius Franz von Sachsen-Lauenburg 
in Neuhaus. Solche Reliefs entstanden 
sicherlich nach Dürers Stichen oder Zeich- 
nungen. 
Ein „in Ton possiertes stückhl" ist Georg 
Pfründts Allegorie des Gehörs (Abb. 5), 
das mit anderen ähnlich großen Reliefs 
eine Darstellungsfolge der fünf Sinne 
bildet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß es 
sich hierbei um ein Modell für eine Über- 
tragung in ein anderes Material und grö- 
ßeres Format handelt, das der Auftrag- 
geber vom Bildhauer für seine Kunst- 
sammlung forderte, wie es in einigen Fallen 
im späten 17. Jahrhundert nachzuweisen 
ist. Ein Adliger hatte Pfründt „nachher 
Nürnberg geschickt und alldar bey dem 
Kunstverständigen Hatfner und Possirer 
N. Venen das Possiren und nachmals auch 
das Bildhauen lernen lassen" (Sandrart, 
1675)9. 
In „kläub1eri.rrber" Genauigkeit bis in die 
entfernteste Schicht des Landschafrshinter- 
grundes durchgeführt ist Georg Schweiggers 
mythologische Szene, wie Kephalos über 
der zu Tode getroffenen Prokris kniet 
(Ovid, Met. VII, 721; Abb. 6). Schweigger, 
mit justus Glesker in Frankfurt und 
Bamberg und dem früh verstorbenen 
Georg Petel in Augsburg sowie dem eine 
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