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sende im deutschen Reiche die Einführung von Expresszügen zu danken, die 
von jeder größeren Stadt nach Berlin und zurück fahren. Man fährt jetzt 
von Posen, Breslau, Leipzig, Dresden, Düsseldorf, Köln, Metz, Frankfurt, 
Strassburg in wenigen Stunden nach Berlin. Wenn Soldaten von der östlichen 
Grenze des Reiches nach der westlichen gebracht werden müssen, so mussten 
sie bisher sich in Berlin aufhalten; jetzt ist dies überflüssig. Die Stadtbahn 
ist so gebaut und organisirt, dass dem Militärverkehr Schienen zur Ver 
fügung stehen, ohne den Privatverkehr im Geringsten >zu stören. Die 
meisten Berliner Casernen (siehe den großen Plan von Berlin in dem 
«Berichte der Communalverwaltung Berlins«) liegen nicht im Innern der 
Stadt, sondern an den äußersten Linien der Stadt und stehen mit der 
Stadtbahn in so directer Verbindung, dass die Truppen sofort aus der 
Caserne auf die Stadtbahn gebracht werden. Die Militärs behaupten, dass 
die militärische Disciplin durch die Verlegung der Casernen außerhalb des 
W eichbildes der Stadt gewinne, und die Mobilisirung der Armee außer 
ordentlich erleichtert werde. Das Publicum ist mit dieser Maßregel auch 
zufriedengestellt; denn es wird dadurch das Terrain für bürgerliche Unter 
nehmungen vermehrt, und dieses ist wie in Wien so auch in Berlin nicht 
groß genug. 
Das großartig entwickelte Communicationssystem in Berlin hat auf 
mich einen großen Eindruck gemacht, zudem ich von allen Seiten hörte, 
dass es Allen und Jedem die größten Vortheile bringt. In Wien aber stösst 
es auf Schwierigkeiten aller Art. In Wien sind die Competenzen so complicirt, 
durch die Autonomie der Vororte, wo jeder Vorort einen Bürgermeister 
und einen selbstverständlich nur parlamentarisch zu regierenden Gemeinde 
rath zur Seite hat; jeder höhere Bezivksbeamte hat über die wichtigsten 
Baulinien seines Bezirkes ein entscheidendes Votum, da ein Bauregulierungs 
plan für die Vororte nicht existirt. Jeder Baumeister hält sich für einen Archi 
tekten, jeder Baubeamte in einer Statthalterei ist eine Autorität, auch in 
Angelegenheiten, wo nur ganz hervorragenden Baukünstlern ein entscheidendes 
Wort zu sprechen zusteht, und schließlich entscheidet im Ministerium ein 
Beamter, der seine Jura vielleicht mit Vorzug absolvirt hat, aber im Bau 
fache im besten Falle ein enthusiastischer Dilettant oder wohlwollender Auto 
didakt ist. Sind diese Vorverhandlungen geordnet, so schreitet der Landtag 
ein und schließlich muss die Frage an den hohen Reichsrath gelangen, wo 
bekanntlich die Einmüthigkeit und künstlerische Einsicht erst recht nicht 
zu Hause ist, denn es sitzen in den beiden hohen Körperschaften zahlreiche 
habrikanten, hervorragende Landwirthe, Politiker und Börsenmänner, aber 
nur wenige Fachmänner von unzweifelhafter Autorität im Bauwesen. 
Bei dieser Sache kann man nur wünschen, dass die Angelegenheit 
der Stadtbahn in ähnlicher Weise behandelt wird, wie bei der Stadt 
ei Weiterung, die ja auch nicht auf parlamentarischem Wege durch die 
Commune, den Landtag und die Reichsvertretung zu Stande gekommen ist.
	        
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