Nr. 18'
Internationale Sammler-Zeitung
Seite 157
Ein Sammler der Renaissance.
Von Fritz Hansen (Berlin).
Die alten Griechen sammelten in Hellas Blütezeit
nicht. Da war alles emsig beschäftigt, in der Gegenwart
zu schaffen, ohne die Kunst früherer Zeiten oder
fremder Völker zu würdigen. Die letzteren waren für
sie nur Barbaren, Halbmenschen, deren Werke zu
sammeln für einen Vollmenschen kein Grund bestand,
und ihre eigene Vergangenheitskunst schien ihnen zu
anfängermäßig, um wert zu sein, in Sammlungen auf
bewahrt zu werden.
Die Römer waren die ersten großen Sammler,
aber Sammler von wenig sympathischer Art. Man kann
beinahe sagen, ihr Sammeln war kriegsgewinnler-
mäßig, „Gulasch“. Es ist der starke Soldat, der in
großen Legionen die höher stehende und feiner kulti
vierte Griechenwelt erobert und ihre Statuen und Ge
mälde, Vasen und Möbel zur Beute macht, um damit
Roms Plätze zu schmücken oder seine eigenen Räume.
Er ist ein Mensch, der mit seinen Sammlungen prahlt,
ein Parvenü, der einen Praxiteles aufweist wie ein
Chicagocr Fleischermeister seinen Rembrandt oder
Corot vorzeigt. Sein Sinn für den inneren Wert der
Kunstwerke ist gering oder gar nicht vorhanden, ein
Gemälde ist ihm im wesentlichen Mauerblümchen, eine
Statue Hofputz.
Sammler im wahrsten und guten Sinne des Wortes
finden wir eigentlich erst in der Renaissance. Da hegt
hinter dem Sammeln der Drang, der Gegenwart und
der Umgebung zu entfliehen. Um wirklich Sammler zu
sein, muß man eine andere Zeit für besser anschen als die
eigene. Aber gerade dieses Moment kommt in der Renais
sance stark zum Ausdruck. Die modernen Menschen
wandten sich da mit Unwillen ab vom christlichen
Mittelalter, wandten sich zurück zum Altertum, zur
eigentlichen Blütezeit der Menschheit. Da waren die
Menschen groß und frei, da schufen sie sich große
und edle Kunstwerke. Und jedes Stückchen Alter
tumsmarmor, das auf italienischem Boden ausge
graben ward, wurde mit Jubel begrüßt. Jedes alte
Pergamentmanuskript, mit einer Botschaft der klas
sischen Schriftsteller, das auf dem Grunde einer klöster
lichen Bücherkiste^ gefunden wurde, war ein Schatz.
Das Altertum und seine Kunst wurde das Muster,
nach dem man die neue Kunst zu schaffen suchte.
Und da man erst den Sinn der vergangenen Schönheit
erfaßt hatte, entwickelte man danach auch seinen
Begriff von der gegenwärtigen Schönheit.
Einer der berühmtesten Sammler der Renaissance
war der Florentiner Niccolo Nicoli, der im 15. Jahr
hundert lebte und Cosimo Medicis Ratgeber in der
antiken Literatur und Kunst war. Er war der Sohn
eines wohlhabenden Kaufmannes, von dem er ein
kleines Vermögen erbte, das er dazu anwandte, um
sich alte Handschriften und schöne Sachen von nah
und fern zu verschaffen. Er war persönlich sehr genüg
sam und zufrieden mit einer Mahlzeit aus Brot, Käse
und gekochten türkischen Bohnen. Aber das frugale
Mahl mußte in schöner Schüssel auf seinem. Tisch
erscheinen, und das Wasser mußte in ein Glas aus
reinstem Kristall gegossen werden. Und das Mahl
und das Wasser mußte von einer hübschen Haus
hälterin aufgetragen werden. Er lebte friedlich und
vergnügt mit seiner schönen Benvenuta, die nicht
viel Geist aber viel Liebreiz besaß und so gut zrr all
den schönen Dingen paßte, mit denen er sich umgab.
Auch auf seine Kleidung erstreckte sich sein Schönheits
sinn. Er hielt darauf, daß er, wenn er sich öffentlich
zeigte, in einem langen bis zur Erde reichenden Gewand
von kostbarem rosa Stoff erschien. Selbst seine Hand
schrift pflegte er, sie ist eine der schönsten Hand
schriften der humanistischen Kaligraphen. Inmitten
seiner Sammlungen, Bücher, antiken Vasen, seinen
venetianischen Gläsern und mit seiner schmucken
Haushälterin war er vollkommen glücklich. Aber er
verstand auch, seine Bücher zu lesen, sie waren ihm
nicht nur Regalschmuck. Er war ein feiner Kenner und
ein scharfsinniger Textkritiker. Alles war mit der
Schätzung von Werten und Formen des wirklichen
Kenners gesammelt. In ihm haben wir das Beispiel
des Sammlers in edelster Form. Der Mensch, der nicht
bloß sammelt, um anzuhäufen, aus Erwerbsdrang,
aus Prahllust, als Sammelmanie, sondern ein Kenner
und Schürfer, ein Genießer und Liebhaber. -
Chronik.
Bibliophilie.
(Die Büchersammlung von Eduard Sueß.) Die Heidel
berger Universität ist in den Besitz der großen Bibliothek des
Wiener Geologen Professors Eduard Sueß gelangt. Geheimrat
August von Röchling hat die Büchersammlung für M 50.000
angekanft und sie dem geologisch-paläontologischen Institut
der Heidelberger Universität geschenkt.
(Gefälschte Rcclam-Bücher) sind die neueste Leistung
der Entente-Propaganda. Feldgraue sandten von der franzö
sischen Front eine Anzahl Bändchen heim, die sich äußerlich
als harmlose Reclam-Heftchen zeigen. Genau ist die rötlich
gelbe Farbe der Reclam-Bücher nachgeahmt, die seit einem
halben Jahrhundert in der ganzen Welt bekannte Umschlag
zeichnung exakt wiedergegeben. Schlägt man das Heft auf,
ist es eine Hetzschrift gegen die deutsche Regierung, eine Auf
forderung zur Meuterei und zum Überlaufen. Ein anderes
Heftchen ähnlichen Inhaltes trägt schon das neue Reclam-
Gewand. Die seit Jänner 1917 von dem Reclamschen Verlag
eingeführte neue Ausstattung ist getreu kopiert, das höhere
schlanke Format, die neue Umschlagzeichnnng von Professor
Ehmke, die Schriftart des Titels, der Druck der Rückseite.
Um den Eindruck der Fälschung zu vollenden, ist der Titel
der Schrift nun innen und außen gleichlautend und die Firma
Philipp Reclam jr. ist als Drucker und Verleger genannt.
Auf diese Weise wird das Erkennen des Betruges erschwert,
damit der Leser sich gutgläubig in das scheinbar vertrauens
würdige Buch vertieft und so die beabsichtigte Wirkung
sicherer erreicht würde. Solche Fälschungen werden von den
feindlichen Fliegern in Massen über und hinter den deutschen
Linien abgeworfen.