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Motive, zuweilen noch in gothischer Architektur oder in gothisirender
Anordnung, dann aber auch mit Anschluss an die Architektur der ita
lienischen Frührenaissance. Beides neben einander findet man in dem
Wunderbau der Certosa von Pavia, von dem unsere Ausstellung eine
Reihe Aufnahmen zeigt, Gesammtansichten wie Details der Wände und
der Decken, zum Theil in den colorirten Stichen von Grüner (Fresco
decorations and stuccoes of Churches and Palaces in Italy), zum Theil
in Originalaufnahmen von Herdtle und Stella. Aus der großen Anzahl
der sonstigen Blätter heben wir hervor die Darstellungen aus dem Kloster
der Penitenziarii in Rom, Originalaufnahmen von Leopold Theyer, die
jenigen aus dem Appartimento Borgia im Vatican, aus den Capellen
Eroli in Spoleto und Becaro bei Siena, die ebenso originelle wie überaus
liebenswürdige Decke aus dem Palazzo Scrofa in Ferrara (Zeichnung
von Herdtle) und endlich die Deckenmalereien aus der Kirche Santa
Maria del Popolo in Rom.
VII. Italienische Hochrenaissance.
Mit diesen Malereien in Santa Maria del Popolo haben wir uns
schon der römischen Zeit Rafaels und somit der Hochrenaissance genähert.
Die figürliche Malerei hat ihre Höhe erreicht und mit ihr ist zugleich
die Decoration zu ihrer Vollendung gekommen und feiert ihre höchsten
Triumphe an der Decke der Cappella Sistina und in den Stanzen Rafaels.
Die Anordnung ist völlig frei geworden, die gothische oder mittelalter
liche Tradition ist verschwunden, doch scheint es fast, als ob die histo
rische Malerei auf den Wänden und Decken dieser Gemächer ein über
wiegend bedeutsames Wort spräche und das decorative Princip in den
Hintergrund träte. Doch scheint es nur so. Wie wenig das der Fall ist,
zeigt wohl am deutlichsten die Halle der Farnesina mit dem Bildercyclus
aus dem Leben der Psyche. Und wenn Rafael in den Stanzen das deco
rative Element vor den großen Fresken zurücktreten lässt, so lässt er es
um so freier, schöner und reicher in den Loggien spielen.
Hier war nun zur bisherigen ornamentalen Decoration ein neues
Element hinzugetreten, die spielenden, überaus anrnuthigen und phantasie
reichen Wandverzierungen der damals in Rom ausgegrabenen antiken Bau
werke, unter denen die Titusthermen obenan standen. Diese Grotesken,
wie sie von den Grotten benannt wurden, oder Arabesken, wie wir sie
heute fälschlich zumeist benennen, die gleiche Art, die uns heute das
ausgegrabene Pompei in so unerschöpflicher Mannigfaltigkeit kennen
gelehrt hat, fesselten vor Allem den großen Rafael, und er und seine
Schüler insbesondere Giovanni da Udine und Giulio Romano, ließen sie
zu einem neuen Leben erstehen, erst in 'den Loggien, dann in einer
Reihe anderer Paläste und Villen, so in der Villa Madama, in der Villa