EINLEITUNG:.
Im Jahre 1873 haben wir hier- auf unserer Weltausstellung die
erste Ausstellung weiblicher Handarbeiten gesehen und sodann nicht
wieder. Der Gedanke lag nahe, solche Gegenstände einmal wieder aus
der ganzen österreichisch-ungarischen Monarchie zu vereinigen, um zu
sehen, wie in dieser Epoche der grossen Geschmacksveränderungen
auch dieses Gebiet der Kunstarbeit sich verwandelt hat. Seit jener Aus
stellung und in Folge derselben ist die Wiener Fachschule für Kunst
stickerei gegründet worden. Aus dieser Schule sind viele Stickerinnen
von Beruf, viele Lehrerinnen hervorgegangen; andere Schulen sind
nach ihrer Art errichtet oder haben die Lehrer von ihr angenommen;
ihre Muster sowie die von ihr aufgenommenen Techniken sind ver
breitet worden. Auch ausserhalb der Grenzen Oesterreichs ist die
Stickerei als Kunst wieder rege geworden. Der Wunsch w'ar daher
begreiflich, zu sehen und zu erfahren, wie nun heute die Dinge stehen,
wie weit der Einfluss des Neuen geht, wie tief er in die niederen
Schulen, in die Flaus- und Damenarbeit eingedrungen, wie sich endlich
auch das Geschäft, die Industrie selber, allen den neuen Anregungen
gegenüber verhält, ob es sie aufgenommen hat oder auf seinem alten
Standpunkt verblieben ist.
Wenn wir uns die Gegenstände an Stickereien und Spitzenarbeiten
von österreichischer Herkunft, und zwar von moderner Art, welche
damals (1873) im sogenannten Pavillon der Frauenarbeit vereinigt
waren, in das Gedächtniss zurückrufen, so müssen wir uns gestehen,
dass kaum ein einziges Stück darunter war, welches unseren heutigen
ästhetischen Anforderungen vollauf entsprochen hätte. Und doch hatte
die Jury bereits strenges Gericht gehalten und insbesondere all’ jenes
ausgeschossen und abgelehnt, was sich an figürlichen Darstellungen
oder Riesenbouquets im Kreuzstich und verwandter Technik mit
Berliner Wolle breit gemacht hatte. Fehlten also diese »horreurs«,
welche kurz zuvor noch Stolz und Lust der Damen gewesen waren,