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zaliUosen Moustranzen der letztgedacliten Gattung wohl leicht müssen eine
oder die andere finden lassen, die in Composition und Ausführung als
Muster gelten könnte.
Von Textilem kamen besonders Messgewänder in grösserer
Anzahl und reicher Auswahl zusammen, die die Zeit vom 12. bis
18. Jahrhundert in ungefähr 70 Exemplaren repräseutiren. In Bezug
auf Schnitt ist die im Alterthume gewiss stets höchst würdevolle Mess-
casel bald nach dem Aufgeben der hier noch in erfreulicher Weise
mehrfach vertretenen gnthischen Glockenform durch immer grössere Ver
kürzung und durch die eigenthümliche Behandlung des vom rückwärtigen
Theile ganz getrennten Vordertheiles einer immer bedeutungsloseren
Form anheimgefallen, bis sie endlich in der Zeit der grössten Ge-,
siunungslosigkeit zu dem noch in der Erinnerung Vieler stehenden,
würdelosen und eher lächerlichen Fräckchen wurde. Nur gänzliche Ver
kennung der geschichtlichen Bedeutung und Entwickelung dieses Ge
waudstüc'kes, nicht Sparsamkeit allein, kann die Ursache sein, dass man
auch neuestens noch trotz sonstiger liückkehr zu Besserem vielfach sieh
sträubt, die Maße allgemein mehr nach Länge und Breite zu erweitern.
In Bezug auf Qualität zeichnen sich alle älteren Beispiele durch Echt
heit und Solidität des Stoffes und der Arbeit aus, obwohl dies insofern
nicht viel sagen will, als eben keine Alltagswaare so sorgfältig auf
bewahrt wurde, um heute noch ausgestellt werden zu können. Hin
sichtlich der Ornamentirung nun fiel hauptsächlich der Kunst der Gold-
rtnd Silberstickerei die Aufgabe zu, die glatten oder höchstens einförmig
und minder lebhaft gemusterten Flächen des Stoffes entsprechend zu
beleben, was keineswegs immer in glücklicher und nachahmenswerther
Weise erreicht wurde. Gleich von den ältesten Messcasein (^aus dem
15. Jahrhundert) zeigen mehrere auf dem Kückentheile ganze Gruppen
von applicirten Relieffiguren, wobei nur drei Dinge übersehen wurden:
1. muss sich nothwendigerweise der Seiden Überzug dieser hochausgestopften
Fuppen sehr bald abreiben, was dann ein recht schundiges Aussehen
gibt; 2. hat Nadel, Seiden- und Goldfaden nicht die Bestimmung, der
Sculptur ins Handwerk zu pfuschen und 3. wird eine Messcasel stets
nur gemacht, um vom celebrireuden Priester getragen zu werden —
der Kücken des Priesters aber soll kein Gestell für einen plastischen
Calvarienberg oder anderes Figurenwerk abzugeben haben. Dergleichen
kann eben nur an Gegenständen, die zu einem ruhigen Verweilen
bestimmt sind, einen naturgemässen Platz finden, und dieses letztere
kann selbst dann noch geltend gemacht werden, wenn solch grössere
Figuren, namentlich Crucifixe, in Flachstiekerei oder Nadelmalerei aus
geführt sind, gegen die sonst vom künstlerischen Standpunkte aus nicht
eingewendet werden kann, dass durch sie dem Stoffe Gewalt an-
getban werde.
An den rein ornamentalen Goldstickereien der älteren Zeit kann
wieder die Beobachtung gemacht werden, dass diese in dem Bestreben,
zur Erzielung der grösstmöglichen Pracht weder Arbeit, noch Gold zu
sparen, nicht selten auf das doch gleichfalls löbliche Masshalten vergass,
so dass auf solch goldstrotzenden Flächen das Auge wieder nur schwer
sich zurecht findet und noch weniger zur Ruhe kommt; hierbei ist also
dem Hauptzwecke des Ornamentes, die Fläche angemessen zu beleben.