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Objekt: Alte und Moderne Kunst IX (1964 / Heft 73)

ause, das zugleich sein Erstlingswerk 
scheint er sehr bald, vermutlich noch vor 
:r Rückkehr nach Augsburg, 1502 einen 
r für das Benediktinerstift Melk ge- 
lfen zu haben, auf dem die Dornenkrönung 
Aggsbach in leicht variierter Weise 
lerkehrt. Bis auf den Mantel Christi, der 
äußerst prunkvoll ist, ist von der Ausstat- 
; des Raumes bis zur Zahl der Schergen 
wesentlich vereinfacht. Die Gesichtszüge 
Knechte freilich lassen den Einfluß von 
gkmair und Holbein weit leichter er- 
ien als das Aggsbachcr Bild. 
irend es aus dem jahre 1522 noch zwei 
onnen von Breu gibt (Wien und Ham- 
g), ist 1528 im „Tod der Lukretia" der 
its erwähnte Motivwandel ersichtlich. 
h dieses Bild ist stark an Burgkmair 
itiert. 1529 entstand für Wilhelm IV. von 
:rn eine „Schlacht von Zama", deren 
iration durch die „Schlacht von Cannae" 
gkmairs ebenfalls offensichtlich ist. 
e lzigenständigkeit zeigt sich in den her- 
agend schönen 18 Münchener Blättern, 
die Kriege (14) und Jagden (4) Kaiser 
imilians I. festhalten. Diese Holzschnitt- 
mungen legen Zeugnis ab für die stete 
vicklung eines Anfangertalentes zu hoher 
iterschaft. 
jedoch auf das Aggsbacher-l-lerzogen- 
;er Dornenkrönungsbild zurückzukom- 
, so erregen einige Eigenheiten dieser 
stellung unsere besondere Aufmerksam- 
ächst ist es die Siebenuhl der den Herrn 
irnden oder verspottenden Schergen. Fer- 
der Umstand, daß das Bild nicht eine 
: Illustration zu den Evangelienberichten 
will; denn keiner der Knechte ist als 
iat erkennbar, während Matthäus 27,29 
irücklich von Soldaten als den Voll- 
:rn der Spottkrönung spricht. Drittens 
eht eine auffallende Unterschiedlichkeit 
ler Bekleidung dieser Folterer. Viertens 
dasselbe vom Mienenspiel, von der Art 
Weise ihrer Beteiligung an der Mar- 
ng Christi und von dem betonten Kon- 
der Körperhaltung dieser sieben Scher- 
Siebenzahl ist offenkundig mit Bedacht 
ählt, denn an sich würde die gleiche Fol- 
ng auch von zwei oder drei Henkers- 
:hten zu bewerkstelligen sein, wobei der 
durch puren Zufall hinzugekommene und 
symbolisch mittuende Zwerg wie eine 
inzung zur Siebenzahl wirkt. 
Breu gerade sieben Bösewichte darstellte 
daß er diesen sieben Gestalten im Gegen- 
zum biblischen Wortlaut alles nahm, was 
als Angehörige einer Armee erkennen 
. mußte seinen besonderen ("n-und llälirh. 
Das Gemälde ist von einer aszetisch-theo- 
logischen Grundidee inspiriert. Es soll die 
Qualen Christi darstellen, die er durch die 
sieben Hauptsünden (peccata capitalia) er- 
leidet. Die Hauptsünden sind nicht identisch 
mit den Todsünden, deren Zahl ja Legion 
ist. Eine Hauptsünde ist zunächst ein Charak- 
termanko, eine Quell- und Ursprungsünde 
für zahlreiche andere Vergehen, man denke 
etwa an die unzähligen Verbrechen, die der 
Unmäßigkeit in Gestalt der Trunksucht ent- 
stammen. Streng theologisch genommen ist 
eine Hauptsünde nicht auf jeden Fall eine 
Todsünde, da die Geringfügigkeit der Sache, 
der Mangel an klarer Erkenntnis oder an 
wirklichem Wollen das Vergehen zu einem 
läßlichen machen können, wodurch die spe- 
zifische Folge einer Todsünde: der Verlust 
der Heiligungsgnade, eben nicht eintritt. Be- 
reits seit Petrus Lombardus (f 1164) ist die 
Zahl der Hauptsünden auf sieben festgelegt, 
seit Thomas von Aquin (1- 1274) steht ihre 
Reihenfolge fest: l-loifart, Neid, Unkeuschheit, 
Geiz, Unmäßigkeit, Zorn und Trägheit (super- 
bia, invidia, luxuria, avaritia, gula, ira, ace- 
dia). 
Irgendwie kannte man diese Sünden schon in 
der Philosophie der Stoa, und bereits die an- 
tiken Kirchenlehrer wie Cyprian von Kar- 
thago (1- 258) oder Gregor der Große (1- 604) 
handeln über sie. Dante nimmt sie, allerdings 
noch nicht in der thornistischen Reihenfolge, 
als Einteilungsprinzip seines Fegfeuerberges. 
Dies vorausgeschickt, wenden wir uns wieder 
der Aggsbach-Herzogenburger Tafel zu. Zu- 
nächst der erste Scherge links: Seine gecken- 
hafte Kleidung, sein pompöser roter Pelzhut 
in der Form eines Hahnenkammes, sein 
weibisch gepflegtes, bis zu halber Rückenhöhe 
sich niederringelndes Haupthaar lassen ihn 
leicht als den Vertreter des Hochmuts f 
dargestellt durch hoffärtige Kleiderpracht und 
den Hut als „geschwollenen Kamm" - als 
Vertreter der Superbia, der ersten Hauptsünde, 
erkennen. Das überbetont selbstbewußte und 
distanzhaltende Gehaben ist gleichfalls nicht 
dem Zufall zuzuschreiben. 
Der nächste Folterknecht, ebenfalls noch in 
der linken Bildhälfte, trägt nicht nur eine 
jacke nach Frauenart, mit übergroßen Knöpfen 
geschlossen, sondern außer dem sehr un- 
männlichen Kranz im Haar auch noch einen 
faltenreichen Weiberkittel, der ihm recht eigent- 
lich das Gepräge eines Zwitters gibt. Die 
gewollte Andeutung eines weiblichen Busens 
verstärkt den Eindruck eines Hermaphroditen 
und macht ihn als den Vertreter der Un- 
keuschheit, der Luxuria, kenntlich. 
Der dritte Folterknecht in der Mitte des 
Hintergrundes, der mit einem umgewendeten 
DrpiFnR am" Aä. nnvnnnl 1 -4 4:- v 
  
„„,_........Dcc___ D ..... .... p ...... m... 
Hut muß irgendwo gestohlen oder erv 
sein. Deutlich handelt es sich um die P 
fikation der Avaritia, des Geizes. 
Sein Nachbar auf der rechten Bildsei 
sich mit stark mißvergnügter Miene vu 
Knechten die geringste Mühe macht 
nur schwach mitwirkenden Hände aul 
noch soweit wie möglich aufstützt, 
eindeutige Bild der Trägheit. Seine 
grüne joppe über dem breitgeöffneten 
erinnert lebhaft an die Kleidung eines 1 
burschen, dem der Volksmund bis he 
Faulheit als speziüsches Merkmal beilej 
haben hier den Vertreter der Acedi 
Trägheit, vor uns. 
Links von ihm wird ein Stangenende zu 
von einem Schergen kräftig abwärts gei 
der durch sein extrem gelbes schaffö 
Gesicht auffällt. Sowohl die Farbe al 
die Form seiner Gesichtszüge weisen i 
schwer als den Mann des Neides, a 
„Neidhammel" aus. Der Ausdruck 
hemmel" ist nach Angabe von C 
Deutschem Wörterbuch für das 16. 
hundert nachweisbar, so daß kein I 
darüber bestehen kann, was Breu mi 
derart dargestellten Figur eigentlich 
wollte. 
Die gleiche Stange wie sie preßt m: 
Kraft in beiden Händen und einem 
gestemmten, zu Hilfe genommenen Fi 
nächste Scherge nach unten. Sein zu 
Geschrei weit aufgerissener Mund, als b: 
Ausbruch von Ungeduld, Unmut und 
steht ihm als die Personihzierung des 1 
wohl an. 
Der grimassierende, häßliche und fett 
Zwerg, der in seiner Zerlumptheit und hl 
den l-lockstellung mit scharf zurückged: 
Kopf i der stupide Kopf eines Säufe 
Fressers f eben im Begriffe ist, seine l: 
dicke Zunge herauszustrecken, schlic 
Bild der Gula, der Unmäßigkeit, den s 
lichen Reigen ab. Mit seiner Proviant 
die ihm rückwärts zugleich mit einem l 
herabhängt, der sehr geeignet ist, die H 
die er sich mit Hilfe des langen Wer 
seiner Linken einfängt, zu verdecken, 
für jeden Betrachter des Bildes klar 
gekennzeichnet. Das schwertartige Sc] 
messer, das er mit sich trägt, hat als Abru 
seiner Symbolbedeutung eine nicht rniß 
stehende Funktion. 
Nicht ebenso klar erscheint die Perso: 
rung der Hauptsünden auf der ein Jahr 
gemalten Melker Tafel mit einer 
sehr ähnlichen Darstellung der Dom 
nung Christi. Neid und Unkeuschheit 
vollkommen, Bewegtheit, Symbolik um 
sagekraft stehen offensichtlich hinte 
a._a_i___t n, 1 ..-. ..
	        
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