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Volltext: Winter-Ausstellung 1903 - 1904

VER SACRI V 
Studie von 
Rud. Nissel. 
Zug, der freilich gerade dieses entzückende Blatt vielen 
besonders nahe bringen wird, beeinträchtigt sich seine 
reine decorative Wirkung in etwas. Es ist zu intim, um 
ganz holzschnitthaft monumental zu wirken. In diesem 
Betracht wird es vom Sturm und dem Sieg noch uber 
troffen. In diesen ist der Triumph der einfachen grossen 
Linie, der vornehm discreten Farbenfläche vollkommen. 
Beide sind im ganzen auf Grau-Blau gestimmt, die Con- 
touren heben sich in einem sammtenen Grau-Schwarz 
heraus; beim Sieg tritt ein überaus wirkungsvoller Fleck 
in Orange dazu. Aber die Hauptsache liegt bei der Lime. 
Beide Blätter sind figürlich, aber sie wirken mit der Schwung 
wucht von sehr einfachen Ornamenten, in denen, wie mit 
einer Zeichensprache, alles ausgedrückt wird, was in dem 
jeweiligen Stoffe liegt. Der STURM: Ein Adler unter 
fegenden Wolken, über jagenden Wellen und tief gebeugten 
Bäumen; die Schwingenweite des Vogels geht von dem 
einen Längsrande des Blattes zum anderen; die Linien der 
Schwingen wiederholen sich in denen der Wolken, die 
Krallen des Vogels haben 
ihr grösseres Abbild in 
den sich überstürzenden 
Wellen. Das könnte wie 
ein billiger Symbolisten 
witz aussehen, wenn es 
nicht so absolut ernst und 
bei aller Vereinfachung der 
Linie so naturentnommen 
wirkte. Der SIEG: Ein 
breites, wildes, nächtiges 
Wasser; die Gewalt der 
drängenden Wogen wirft 
sich gegen einen nackten 
Jüngling, der ruhig in der 
erhobenen Rechten eine 
Fackel durch die Wasser 
weite trägt. Ist es nicht 
wie eine Modernisierung 
des alten lieben Themas 
von Christophorus, der 
den kleinen Heiland übers 
Wildwasser huckepackt? 
Im Grunde sicher derselbe 
Gedanke, aber auf seine 
alles Legendenhaften, Bei- 
werkmässigen entkleidete 
Nacktheit zurückgeführt 
und darum zwar nicht so 
sinnig, lyrisch, anheimelnd 
in der Wirkung, aber dafür 
um so mächtiger, symbol 
hafter und decorativ ein 
drucksvoller. 
Ich habe von diesen Wandschmuckblättern deshalb 
ausführlicher gehandelt, weil ich glaube, dass der auf Wand 
schmuck berechnete, vom Künstler selber mit der Hand 
gedruckte und darum in jeder Hinsicht als originales Kunst 
werk, nicht als blosses Vervielfältigungsproduct zu be 
wertende Holzschnittdruck berufen ist, eine wichtige Auf 
gabe zu erfüllen, nämlich die Schmückung des Hauses derer, 
die nicht im Stande sind, sich Originalgemälde anzu 
schaffen. Diese Behrens'schenKunstblätter mit ihren grossen 
Flächen, die selbst in grossen Zimmern nicht verschwinden, 
können auch von solchen Kunstfreunden erworben wer 
den, die sich sonst die Anschaffung von originalen Kunst 
werken versagen müssen. Dies ist aber ein avis au lecteur, 
der sich nicht bloss auf die Geniessenden, sondern auch 
auf die Schaffenden bezieht. Das „weg von der Staffelei“, 
das heute den Malern oft zugerufen wird, indem man es 
ihnen nahelegt, sich nicht bloss mit der Schaffung von Ge 
mälden, sondern auch mit der Erzeugung von Gegen 
ständen der Nutzkunst zu befassen, kann und wird von 
vielen nicht befolgt wer 
den, denen es eben gerade 
um den malerischen Aus 
druck von Bewegungen 
ihres Inneren zu thun ist, 
von denen also, die als 
Maler Poeten sind, — für 
sie ist der grosse Farben 
holzschnitt für die Wand 
eine Gelegenheit, auch 
ihrerseits im Zuge derer 
mitzuschreiten, die die 
Kunst in reicherer Fülle 
ins Leben selber stellen 
wollen. Es lässt sich wun 
derschön ins Holz dichten, 
wie Peter Behrens beweist. 
Die F arbigkeit istfür den 
grossdecorativen Zweck 
desHolzschnittes zwar sehr 
wesentlich, aber doch nicht 
unbedingt nothwendig, 
Beim primitiven Hand 
druck mit Wasserfarben 
lassen sich auch schwarz 
auf weiss sehr schöne Wir 
kungen erzielen. Eine Rei 
he von Versuchsblättern 
des vortrefflichen E. R* 
WEISS beweist das. Es 
sind ganz ausgezeichnete 
Sachen darunter, die, wie 
alles, was dieser hoch 
begabte junge Künstler
	        
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