wieder mit mancherlei Bizarrerien oder Seltsamkeiten zur Kenntniss des
gegenwärtigen englischen Geschmackes im höchsten Grade lehrreich war.
Was die englische Industrie für Ausstattung und Decoration des Hauses
an feinster Arbeit schaden kann, das war hier vereinigt: Sammt und Seide,
Stickereien, Bronzen, lntarsien, Plüsch, Goldstolfe u. s. w. Die Holzintar-
sien insbesondere waren von denkbar schönster und vollkommenster Arbeit
und mitunter wunderschön in ihrem goldigen Gesammtton. Aber bizarr
wieder war die Anwendung, die von ihnen gemacht war, denn man sah
sie nicht hlos an den verschiedenen Möbeln, sondern die allerfeinste ln-
tarsie war an Stelle des Marmors getreten und llberzog den Kamin, war
also ausgesetzt dem Untergange durch ausstrahlende Wärme und Rauch.
ln gleicher Weise war von Plüsch, dem modernsten Allerweltsmodestotf,
ein widersinniger Gebrauch gemacht. Wir lassen uns Vorhänge, Por-
tieren, Decken, Sitzmöbel von diesem reizvollen Stotfe gefallen; wir lassen
uns plüschartig gewebte Fußteppiche mit ganz unverzierter Fläche ge-
fallen, aber wenn Plüsch die Lambris bespannt, Gesimse, Rahmen, Thür-
fassungen, Parapetmauern überzieht, so greift er aus seinem Reich und
Recht in das der Architektur hinüber. Und dieser Fehler war hier ge-
macht worden. Zu dem Schönen, was dieser Salon zeigte, gehörte auch
eine goldblumige Wand, bei welchem Stoffe das Gold tief abgetont war
und daher nur eine satte, tiefe, überaus reiche und volle Stimmung gab.
Minder reich nach seiner Bestimmung, aber bei weitem vollkom-
mener und harmonischer erschien das Speisezimmer: ein rothbunter
Teppich in indischer Art, an der Wand ein dunkelblumiger gewebter
Stoff im Stile Louis XIll., darunter Lambris in gedämpftem-(imitirtem)
Goldleder, der Luster von Messing in gleichem Stile, die Gasflammen um-
geben von leichtgefärbten, tulpenartigen Glasglocken, die Möbel endlich
in holländischem Charakter etwa in der Art wie die Entwürfe von Vrede-
man Vriese mit niedriger Credenz.
ln dieser Ausstattung, vielleicht die Glasglocken des Lusters aus-
genommen, liegt gerade nichts Neues. Aber wenn man die Möbel dieses
Speisezimmers und insbesondere diejenigen des Salons mit denjenigen der
deutschen Gemächer, wie sie in Stuttgart waren, vergleicht, so zeigt sich
ein Unterschied, der für den englischen wie für den deutschen Geschmack
charakteristisch ist. Die deutschen Möbel in ihrem Streben nach Wieder-
herstellung der deutschen Renaissance des sechzehnten Jahrhunderts, zeigen
viel Plastik, viel Schnitzerei, vielgliederige Profile, viel Relief, viel Schatten
und Licht. Plastische Wirkung steht an der Stelle der malerischen, der
farbigen. Die englischen Möbel hingegen, auch diejenigen der Speise-
zimmer, haben wenig Profil, wenig oder keine eigentliche Schnitzerei, viel
glatte Fläche und in der glatten Fläche farbige Einlagen. Sie sind also
auf coloristische Wirkung, nicht auf Schatten und Licht berechnet. Und
diese Einlagen von reizender Holzintarsia folgen, wie man ihnen zu-
gestehen muss, mit Vorliebe dem Stil der Empire und nehmen antikisirende