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auf andere Bauweisen und Materialien und wuj^le nichts Befriedi
gendes mit den neuen anzufangen. In der Tat wurden an den
engen SfraBen New Yorks die hohen Biirohäuser Torheiten, ja Un-
sinnigkeiien. Denn das Hochhaus verliert doch allen Wert und Ver-
sland, wenn seine Umgebung sich ihm nicht anpaßt oder ihm nicht
gerecht wird. Ansammlungen von Hochhäusern in engen Vierteln
sind ein unhaltbarer Zustand, bei dem der Wert jedes einzelnen
und die wahre soziale Bedeutung des Hochhauses überhaupt wieder
aufgehoben werden. Aber man war dort weit entfernt, die soziale
und künstlerische Bedeutung der neuen korm zu erkennen, und so
entstand ein wüster, aufdringlicher Haufe von Monstrositäten, der
allen besseren menschlichen Eigenschaften hohnsprach.“
Daß ein Mann mit solchen Anschauungen einen schweren
Sland haben mußte, ist klar. Wie sagte sein großer Antipode, der
„Wiedererwecker“ des „römischen Stils“ in der Weltausstellung
1893, zu ihm? „Louis, es tut nicht gut, wenn man den Leuten
mehr als den allgemeinen Durchschnittsversiand zumutet.“ Auch
heute ist die Auffassung von Sullivans Tragödie in den Staaten
nicht überall gleich. Man hört die Ansicht aussprechen, die Rück
kehr zum „römisch-klassischen Ideal“ in den 90er Jahren sei eine
Entwicklung über Sullivan hinaus gewesen. Das ist wohl ein
Irrtum. Bei Eröffnung der römischen Weltausstellung war Sulli
van ein 37jähriger. Er erbaute das beste Haus der Ausstellung, das
Verkehrsgebäude. Er hat tief darunter gelitten, daß fast der ganze
Rest zu einer hohlen Attrappe wurde, und daß man über seine feinere
Anregung, Columbus (dem ja die Ausstellung galt) und seine Be
deutung tiefer zum Ausdruck zu bringen, zur Tagesordnung über
ging. Zu solchen Anregungen war seine Umgebung eben nicht reif.
Sie hat sich eine Zcitlang an der Pracht der römischen Herrlich
keit berauscht — aber, wie wir bei Pond und Talimage gelesen
haben, sie schon längst wieder aufgegeben und sich neuen Göttern
zugewandt. Ein klares Bild dieser Entwicklung finden wir im übrigen
auch bei Mumtord a. a. O. Wer heute unvoreingenommen das
Wainright- oder das Guarantee-Gebäude vergleicht mit den letzten
Schöpfungen der Harmons, Corbetts, Mc Kenzie-Gmelins, Wiights,
Elmslies, Byrnes, der zweifelt nicht mehr, daß ein starker lebendiger
Impuls der amerikanisch nationalen Hochbaukunst von Sullivan
ausgegangen ist. Die Güte Erank Lloyd Wrights ermöglicht es, in
diesem Katalog sogar einen besonderen Beitrag zu diesem Kapitel
in einer unserer Abbildungen zu bringen, einen unausgeführten Ent
wurf Sullivans aus den 90er Jahren zu einem Riesenhochhaus. Da
mals gab es noch keine neuen „Zoning Laws“, keine Baugesetzc,
aus denen sich heute die bekannten Abstufungen der Wolkenkratzer-