russischen Juden Chagall den Engländer Moore. Und auch. Öster
reich hat unter diesen fünfzig mit Kokoschka nicht einen der letz
ten in der Reihe.
Welche Welt liegt zwischen dem Anfang dieser Kunst, die mau
lange als die „moderne“ zu bezeichnen pflegte, und deren äußer
sten Extremen in der Gegenwart? Etwa zwischen den „Impres
sionisten“ Manet, Degas, Renoir einerseits und Klee, Marc,
Chagall, Picasso, Rouault andrerseits? Sind die ersten noch ganz
auf die Wiedergabe des Sichtbaren und Realen eingestellt, auf die
Darstellung der äußeren und augenblicklichen Erscheinung durch
Licht und Atmosphäre, so geht es letzteren mehr um eine Andeu
tung als um die genaue Festlegung einer kaum definierbaren
transzendentalen Welt. Der Schweizer, der Deutsche und der Russe
bedienen sich dabei des Mittels des beinahe kindhaften oder viel
leicht auch volkstümlichen Ausdrucks, der Spanier beschwört da
für zuweilen die Gestalten „primitiver“ Kunst; er hat daneben
aber für viele Dinge eine neue Symbolsprache gefunden. Der Fran
zose geht fast schon wieder in traditionellen Bahnen (man denkt
etwa an mittelalterliche Glasfenster) und hat in seiner Geistigkeit
zum zwar Unkonventionellen, aber Religiösen zurückgefunden. Es
liegt der Bruch zwischen zwei Weltanschauungen dazwischen, der
Sprung von einer aufs äußerste realistischen und materialistischen
zu einer ganz aufs Unwirkliche und aufs Jenseitige eingestellten.
Jeder, dem die Beurteilung der Gegenwartskunst Schwierigkeiten
macht, tut gut, sich diese Tatsache vor Augen zu halten.
Eine Erscheinung wie der Pointilismus eines Seurat mußte dabei
Episode bleiben. Hingegen vermag uns der frühe Expressionismus
eines van Gogh und Gauguin nach wie vor zu erregen, ebenso wie
die sinnliche Lebensfreude eines Renoir oder die farbige Sinnlich
keit eines Degas oder Matisse. Cezanne aber ist derjenige, der in
all den geistigen und bildlichen Auflösungserscheinungen versucht
hat, wieder eine festgefügte Bildform zu finden und damit den
Ton angegeben hat für viele, die seither gefolgt sind.
THe Farbendrucke nach LLandzeichnungen des
Leonardo da Vinci
Nach den verschiedenen Feiern zum fünfhundertsten Geburtstag
des vielleicht vielseitigsten Malergenies aller Zeiten im vergangenen
Jahre sind diese Handzeichnungen eine willkommene Ergänzung.
Dazu kommt, daß Handzeichnungen und Aquarelle wie kaum
eine andere Technik durch die Reproduktion, man möchte sagen,
fast vollwertig wiedergegeben werden können.
Abgesehen davon, daß eine Reihe von Haui>twerken Leonardos
aus persönlichen Eigenheiten des Meisters oder aus unglücklichen
Verkettungen nie vollendet wurden oder heute ganz oder teilweise
vernichtet sind, gehört er schon seiner ganzen Natur nach zu jenen
Künstlern, bei denen das Wollen und die Geistigkeit vielleicht
bedeutender sind als die ausgeführten Werke. Um so wertvoller
sind daher die Handzeichnungen und Aquarelle, die einen tiefen
Einblick geben in die Werkstätte dieses Geistes, in die Komplexität
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