MAK

Volltext: Nachtragsverzeichnis zum Katalog der Bibliothek, 7: 1925

"I0 
DIE.  KUNsTeEWEißQE! 
SCiPIfUiI-WE. DES   QSTEJRWRÄEIAÄCHIJSLCIHWELN 
     
 
 
IE Ausstellung der Schülerarbeiten unserer Kunst- 
gewerbeschule ist immer ein Ereignis gewesen, 
früher ausschliesslich für die Intimen, heute 
auch für das grosse Publikum, bei dem freilich 
nicht immer sachliches Interesse, sondern 
Bedürfnis nach Sensationen treibendes Motiv 
ist. Auch die Schule steht heute, und nicht erst 
seit heute, mitten im Karnpfe der entgegen- 
gesetzten Anschauungen, welche unser ge- 
samtes Kunstleben durchdringen. Und wenn 
denen die Zukunft gehört, denen die Schule 
gehört, so ist es begreiflich, dass Kampf und Widerstreit der Meinungen 
nicht haltmachen kann vor den Toren einer Anstalt, die nicht nur Bildung, 
auch Können zu vermitteln hat, das sich im Leben draussen durchsetzen 
soll. Unendlich viel ist es gewesen, was diese Ausstellung als Frucht 
zweijähriger Tätigkeit geboten hat. Alles ist hier in Bewegung, immer 
Neues wird versucht und wie von jeher sieht man mit Freude, welche Fülle 
von Talent in unserem Volke ruht, wie viel Formen- und Farbensinn, 
Phantasie und technisches Geschick. Möchten sich diese Talente auch im 
Leben erhalten und bewähren! Wird in manchen Abteilungen so vielerlei 
getrieben, dass sich kaum vorstellen lässt, wie dies praktischen Nutzen stiften 
soll, so steht dem in anderen strenge Geschlossenheit gegenüber. 
Auch der Gegner der modernen Richtung wird an einer Erscheinung, 
wie die Rollers ist, nicht ohne Interesse vorübergehen können. Um 
wie viel mehr wird dem Freunde einer vernünftigen, gesunden, auf 
Natur und Zweck gestellten Reform des Kunstunterrichtes diese un- 
gewöhnliche Persönlichkeit imponieren, die auch in ihren Eigenheiten 
und Schwächen etwas Starkes und Hinreissendes hat. Ein geborener 
Lehrer von ausgesprochen pädagogischem Talente, ernst, streng, bewusst 
einseitig, zielsicher, mit jener seltenen Fähigkeit ausgestattet, alles, was in 
einem Schüler steckt, aus ihm herauszuholen, wohl auch manches in ihn 
hineinzulegen, was dieser nie in sich entdeckt hätte. Insoferne ist Roller als 
Persönlichkeit gewiss der richtige Lehrer für Anfänger, aber seine ganze 
Methode, die doch auf höheren zeichnerischen Voraussetzungen und reiferen 
Anschauungen und Empfindungen ruht, weist ihn an die Spitze einer Fach- 
schule, zu der er denn auch seine Klasse immer mehr und mehr entwickelt. 
Er vor allem ist es, der den Charakter der allgemeinen Abteilung als einer 
Vorbereitungsschule für die Fachschulen völlig verändert hat; es ist keine 
vorbereitende, sondern bereits fachliche Ausbildung, welche die Schüler da 
 
14
	            		
114 erhalten. Breitner und Schulmeister streben auch bereits dahin. Den Fachschulen für Architektur zum min- desten wird in der all- gemeinen Abteilung kein Schülermaterial mehr vorbereitet, auf das Malerische wird das Hauptgewicht ge- legt, wie ja die ganze moderne Kunst in erster Linie von male- rischen Gesichts- punkten ausgeht. Dies durchzusetzen ist er- sichtlich Rollers päda- gogisches und takti- sches Bestreben. Es herrscht eine Zucht, ein Drill, ein einheit- licher Zug bei ihm sonder Beispiel; Be- lastungsprobenwerden da bei den Schülern Ausstellung der Wiener Kunstgewerbeschule, Bucheinband, Holzmodel- t . . druck auf Atlas, entworfen und ausgeführt von Mileva Stoisavljevic, Roller- un ernommen, W13 mr- Schule gends. Alles, was Roller tut und fordert, ist klug überlegt, vielleicht ausgeklügelt, wenn man so will, sein Tempera- ment, sein künstlerischer Enthusiasmus steht ganz unter seinem Verstande, seine Pädagogik ist nicht auf Gefühl und Erfahrung allein gestellt, sie ist kühle, rechnende Wissenschaft. Er will das auch an die Öffentlichkeit bringen, alle Arbeiten, die er ausstellt, sind unter lehrhaften Gesichtspunkten gruppiert und mit prägnanten, den Unterrichtsgang und seinen bestimmten Zweck charakterisierenden Schlagworten bezeichnet. Wie er es mit dem Akt- studium hält, vor allem auf Bewegungsstudien den Hauptton legt, haben wir schon vor zwei Jahren an dieser Stelle erörtert, die Ergebnisse, etwa in den Arbeiten der Schüler Fiebiger, M._Iung, R. Klaus, sind wieder überraschend, die Methode ist heute allgemein anerkannt, klar aber auch, dass sie denen den grössten Vorteil bringt, die die Form bereits völlig beherrschen. Anfängern könnte sie gefährlich werden, wenn nicht die gründlichsten Formstudien nach dem ruhenden Modell nebenher gingen. Wie auch Roller dies erkennt und beobachtet, zeigen die Fortschritte der Schüler innerhalb eines Jahres, sie
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.