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Das Stift S t. F1 o r i a n in Ober-Österreich hatte meh
rere Ciborien ausgestellt, eines (Nr. 201) in der jetzt ge
bräuchlichen Form aber ohne Deckel, doch aus dem XV.
Jahrhundert, zwei (Nr. 175, 176) in Gestalt verschlos
sener spitzbedeckter Häuschen auf Ständern, wie sie
ft.
bis zum XV. Jahrhundert im Gebrauche waren. Bei
einem derselben sind die Flächen des Häuschens mit
Darstellungen in punctirter Arbeit geziert (Fig. 61 und
62). Ausser diesen sind noch vier Gefässe (Nr. 202 bis
204 und 239) dieser Art ausgestellt , von denen wir
besonders eines erwähnen, das mit recht hübsch aus
geführten Darstellungen auf seinen Tabernakelflächen
geziert ist.
Von eigentümlicher Form ist das vom Stifte Melk
ausgestellte Reliquiar aus dem XII. Jahrhundert. Es
ist aus Kupfer angefertigt und vergoldet, 1'hoch, misst 6"
im Durchmesser und stellt in ziemlich plumper Arbeit
einen weiblichen Kopf dar, der mit einer Krone bedeckt
ist und dessen Haare in zwei nach rückwärts hängenden
Zöpfen geflochten sind. Den Kronreif zieren eingra-
virte Ornamente und ein abwechselnd aus Kleeblättern
und vier einfachen Rundblättern gebildeter Diadembe
satz. Augen und Mund scheinen bemalt gewesen zu
sein. Am Scheitel des Kopfes ein grosser Deckel zum
Öffnen des Gefässes, derselbe ist auf der Aussenseite
mit romanischen Laub-Ornamenten und Thiergestalten
reich geschmückt (Nr. 179, Fig. 10). Der ungarische
Archaeolog Ipolyi-Stummer, Bischof von Neusohl, will in
diesem Gefässe das Behältniss des Caput des heil. Kolo-
man erkennen.
Nr. 205 des Katalogs verzeichnet das gothische
Rauchfass im Stifte Seitenstetten.
Die Räuchergefässe gehören der allgemein ange
nommenen kirchlichen Meinung nach zu den Gefässen der
Eucharistie. Man kann annehmen, dass das Räuchern
in der christlichen Kirche seit den Tagen ihrer Befrei
ung vom Drucke des Heidenthums in Anwendung
kam. Jedenfalls ist das Räuchern der Altäre (incensatio
altaris) mit kostbaren Wohlgerüchen und zwar meistens
mit feinem unvermischten Weihrauch seit den Zeiten
Gregor’s des Grossen in der christlichen Kirche einge
führt und wird seither, um den Gottesdienst prunkvoller
zu machen, als ein wesentliches Requisit der Liturgie
betrachtet. Anfänglich nur beim Messopfer in Anwen
dung gebracht, hat die spätere Praxis sowohl der abend-
als auch morgenländischen Kirche die Incensatio bei
Processionen, vor den Reliquien, vor den Bildern und
Statuen der Heiligen und beim officium defunctorum
verwendet.
Die Räuchergefässe hatten anfänglich eine doppelte
Gestalt, entsprechend den zweierlei Arten ihrer Benüt
zung. Es gab nämlich grosse Rauchfässer oder besser
benannt Räucherpfannen (thymiamateria , tliymia-
teria), welche zunächst des Altars entweder aufgehan
gen oder auch aufgestellt waren, immer aber einen be
stimmten und bleibenden Platz eingenommen hatten.
Diese Art der Räucher-Gefässe, auf welche sich wohl
jene Beschreibungen beziehen dürften, die wir bei
mehreren alten kirchlichen Schriftstellern treffen, ist
schon seit langer Zeit aus dem allgemeinen Gebrauche
der christlichen Kirchen gekommen.
Die zweite und noch heut zu Tage in Verwendung
stehende Art bilden die kleineren tragbaren Rauchfäs
ser, die aus einer kleinen zur Aufnahme der Kohlen be
stimmten und mit einem beweglichen, meist aufziehbaren
thurmähnlichen Deckel versehenen Schale (thuricremium)
bestehen. Diese Schale ist häufig mit einer fussartigen
Unterlage zum Aufstellen des Gefässes versehen, und
an drei Kettchen befestigt, die sichmit jenem des Deckels
Fig. 73. (Tamsweg.)