MAK

Volltext: Die österr. kunsthistorische Abtheilung auf der Wiener Weltausstellung (Exposition des amateurs)

44 
Das Stift S t. F1 o r i a n in Ober-Österreich hatte meh 
rere Ciborien ausgestellt, eines (Nr. 201) in der jetzt ge 
bräuchlichen Form aber ohne Deckel, doch aus dem XV. 
Jahrhundert, zwei (Nr. 175, 176) in Gestalt verschlos 
sener spitzbedeckter Häuschen auf Ständern, wie sie 
ft. 
bis zum XV. Jahrhundert im Gebrauche waren. Bei 
einem derselben sind die Flächen des Häuschens mit 
Darstellungen in punctirter Arbeit geziert (Fig. 61 und 
62). Ausser diesen sind noch vier Gefässe (Nr. 202 bis 
204 und 239) dieser Art ausgestellt , von denen wir 
besonders eines erwähnen, das mit recht hübsch aus 
geführten Darstellungen auf seinen Tabernakelflächen 
geziert ist. 
Von eigentümlicher Form ist das vom Stifte Melk 
ausgestellte Reliquiar aus dem XII. Jahrhundert. Es 
ist aus Kupfer angefertigt und vergoldet, 1'hoch, misst 6" 
im Durchmesser und stellt in ziemlich plumper Arbeit 
einen weiblichen Kopf dar, der mit einer Krone bedeckt 
ist und dessen Haare in zwei nach rückwärts hängenden 
Zöpfen geflochten sind. Den Kronreif zieren eingra- 
virte Ornamente und ein abwechselnd aus Kleeblättern 
und vier einfachen Rundblättern gebildeter Diadembe 
satz. Augen und Mund scheinen bemalt gewesen zu 
sein. Am Scheitel des Kopfes ein grosser Deckel zum 
Öffnen des Gefässes, derselbe ist auf der Aussenseite 
mit romanischen Laub-Ornamenten und Thiergestalten 
reich geschmückt (Nr. 179, Fig. 10). Der ungarische 
Archaeolog Ipolyi-Stummer, Bischof von Neusohl, will in 
diesem Gefässe das Behältniss des Caput des heil. Kolo- 
man erkennen. 
Nr. 205 des Katalogs verzeichnet das gothische 
Rauchfass im Stifte Seitenstetten. 
Die Räuchergefässe gehören der allgemein ange 
nommenen kirchlichen Meinung nach zu den Gefässen der 
Eucharistie. Man kann annehmen, dass das Räuchern 
in der christlichen Kirche seit den Tagen ihrer Befrei 
ung vom Drucke des Heidenthums in Anwendung 
kam. Jedenfalls ist das Räuchern der Altäre (incensatio 
altaris) mit kostbaren Wohlgerüchen und zwar meistens 
mit feinem unvermischten Weihrauch seit den Zeiten 
Gregor’s des Grossen in der christlichen Kirche einge 
führt und wird seither, um den Gottesdienst prunkvoller 
zu machen, als ein wesentliches Requisit der Liturgie 
betrachtet. Anfänglich nur beim Messopfer in Anwen 
dung gebracht, hat die spätere Praxis sowohl der abend- 
als auch morgenländischen Kirche die Incensatio bei 
Processionen, vor den Reliquien, vor den Bildern und 
Statuen der Heiligen und beim officium defunctorum 
verwendet. 
Die Räuchergefässe hatten anfänglich eine doppelte 
Gestalt, entsprechend den zweierlei Arten ihrer Benüt 
zung. Es gab nämlich grosse Rauchfässer oder besser 
benannt Räucherpfannen (thymiamateria , tliymia- 
teria), welche zunächst des Altars entweder aufgehan 
gen oder auch aufgestellt waren, immer aber einen be 
stimmten und bleibenden Platz eingenommen hatten. 
Diese Art der Räucher-Gefässe, auf welche sich wohl 
jene Beschreibungen beziehen dürften, die wir bei 
mehreren alten kirchlichen Schriftstellern treffen, ist 
schon seit langer Zeit aus dem allgemeinen Gebrauche 
der christlichen Kirchen gekommen. 
Die zweite und noch heut zu Tage in Verwendung 
stehende Art bilden die kleineren tragbaren Rauchfäs 
ser, die aus einer kleinen zur Aufnahme der Kohlen be 
stimmten und mit einem beweglichen, meist aufziehbaren 
thurmähnlichen Deckel versehenen Schale (thuricremium) 
bestehen. Diese Schale ist häufig mit einer fussartigen 
Unterlage zum Aufstellen des Gefässes versehen, und 
an drei Kettchen befestigt, die sichmit jenem des Deckels 
Fig. 73. (Tamsweg.)
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.