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"I riternationale Sammler -Zeitung
schwatz und Rötel; die Sammelbüchse wird von einer
Pariserin, die in herrlichem Flusse des Gewändes ihre
zwei Kinder mit d;m Wappen der Stadt Paris ver
borgen hält, dem Beschauer entgegen gehalten, im
Hintergründe das Hotel de Ville. Auf einem Blatte von
F. Jonas wird Gambcttas Ausruf zitiert „Mit Euch
und durch Euch schwören wir Frankreich zu retten“;
Soldaten an der Front erhalten die gesammelten
Liebesgaben. Für den Opfertag des 1. November 1915
hat Leandre, für den 25. Dezember 1915 Steinlen
und WilLette eindrucksvolle Plakate gezeichnet, für
den Kriegswaisentag vom 20. Juni 1915 A. Roll.
Zwei Plakate von Steinlen und Renouard fordern
zu Sammlungen für die hungernd n' Bdgier und für
eine militärische Versicherung auf. Von Steinlen
.stammt noch ein anderes beredtes Blatt. Es warnt den
Soldaten, den geschlechtlichen Verlockungen der Si
renen zu unterliegen. „Das Vaterland rechnet auf Dich,
erhalte Dich gesund für das Vaterland!“ Oben die
Embl me des Friedens, unten ein Totenkopf mit
gekreuzten Beinen, links eine Pierrcuse im Straßen
kostüm, die den Soldaten zu umarmen sucht, rechts
der kranke Soldat vor dem Hospital. Für Kunst
ausstellungen zu Kriegsfürsorgezwecken liegen künst
lerisch hochstehende Plakate von Steinlen und
Poulbot vor. Von ersterem für eine Kunstausstellung,
die nur alle drei Jahre stattfindet und diesmal sich
in den Dienst der Armee stellt, von letzterem zugunsten
der Bekleidung von französischen Kriegsgefangenen in
deutschen Lagern. Das letzte Plakat zeigt ein deutsches
Gefangenenlager, wo an die Franzosen neue Winter
kleider verteilt werden. Die deutsche Bewachungs
mannschaft ist auf d 3 m Bilde ohne jede Gehässigkeit
mit därgestellt.
Zu den von privater Seite ausgegangenen Kriegs -
plakaten österreichischer und u n g a rische rKünstler
gehört das von Willy Nowak in wenigen Umrißstrichen
entworfene Blatt für die ständige Kunstausstellung
„Neue Kunst“ am Odeonsplatz in München. „Der
Krieg“. Das Blatt kann unbedenklich zur neu:-Ten
künstlerischen Richtung gezählt werden: hinter einer
zusammengeschossenen Mauer eine Kanone, deren
Bedienungsmannschaft gefallen ist. Hoch oben die
aufgehende Sonne. Josef Engelhart ladet in Flammen
auf schwarz m Grunde zur Besichtigung von
Kriegsbildern in seine Werkstatt ejn. Für den
ungarischen Maler Ber müssen die a r g zuguich-
teten Führer des Vierverbacdes Großfürst Nikola-
j ewitsch, Poincarre und Victor Emanuel Reklame
machen.
Groß ist die Anzahl der österreichischen Kino
plakate, die meisten von dem in Paris ausgebildeten
Zeichner Karl Rob im Robverlage hergestellt. Als
„Wien im Kriege“ ein fideler Wiener Zivilist mit
'Stößer/ voller Weinseligkeit Arm in Arm mit einem
feldgrauen Infanteristen und Husaren, im Himmel
die Engelsköpfchen einer Straß mbahnschaffnerin, einer
'Briefträgerin und eines weiblichen Organs der Wach-
und Schließgesellschaft. Andere Kriegskinoblätter des
selben Verlages: Die letzten Tage der Entente auf
Gallipoli, der österreichisch-ungarische Krieg in 3000 m
Höhe, Skiertruppen irri. Zillertal, Siegreich durch
Serbien u. a. Für die „Österreichische Volkszeitung“
wirbt Theo Zasche mit einem Kampfe gegen die
Hydra, für „Az Est“ Vadasz mit einem ungemein
wirksamen Wachtfeuer. Rasch zu allgemeiner Aner
kennung gelangte der Kriegszeichner Ladislaus Tus-
zynski. Sein Plakat ist ein Brief an die liebe „Kronen-
Zeitung“, die aus den verschiedensten feindlichen
Kriegsgefangenenlagern Briefkarten erhalten hat mit
den interessantesten Zensurstempeln. Ein anonymes Blatt
„Der Sammelwagen kommt“ dürfte von einem Freund
der Münchner und Schweizer Plakatkunst herrühren.
Für Jacobis Antinikotin wurde Emil Ranzenhofers
Zeichenstift hcrbeigeholt.
Deutsche für gewerbliche Zwecke hergestellte
Kriegsplakate sind für den Kinobetrieb, für den Buch-
urd Zigarrenhandel, wenige auch für andere. Zwecke
entstanden. Ludwig- Hohl wein hat schwarz und
violett auf rot den Traum eines Reservisten eingeführt,
Wohlfahrt humoristische Skizzen. Am freigebigsten in
der Beschäftigung namhafter Künstler gehen die großen
Verlagsfirmcn August Scherl und Ullstein & Co.
vor. Musterbeispiele von großzügigen künstlerischen
Blättern von stärkster Plakatwirkung sind „Die
große Zeit“ von Finetti, schwarzer Schattenriß von
stü r menden Soldaten in . drängender, heftigster Be
wegung auf rotem Grunde, dann Kurt Szafranskis
Schattenrisse eines reitenden Ulanen auf gelbem oder
rotem Grunde. Finettis großer Kopf wirkt wuchtig
und in fast, brutaler Kraft, Szafranskis Ulane für die
Berliner „Illustrierte Zeitung“ aber eher durch die
.mannigfaltig durchgearbeiteten Umrißlinien von Roß
und Reiter und des zerrissenen Dratverhaues. Nahe
steht Koch-Gotha mit seinem schweren Geschütz
für den Roman „Die/Wacht am Rhein“ in der „Morgen
post“.
Großes Kraftbewußtsein, unbändiger Siegeswille
durchzieht fast alle deutschen Kriegsplakate. „Wer
die Woche liest, li:st Weltgeschichte“, so sagen sich
die drei deutschen Soldaten, die „Die Woche“ lesen,
auf d m Blatt Heinrich Jaegers; aber recht nichts-
sager dist das alte Segelschiff für den Roman „Blockade“.
Das deutsche Archiv für Weltliteratur strebt durch
L. Bernhards „Kampf mit d r Hydra,“ die Wahrheit
ins Ausland zu tragen und Haase-Werkenth in die
Lüge im Solde E glauds als gefährliche. Giftschlange
mit. kräftiger Faust zu vernichten. Kleine Buchhändler-
a-zsigen rühren von Amar, Buhe, Finetti, Hohl
wein, Schmalhausen, Gipkens, Weise her. Für
Zigarren und Zigaretten hat sich Bernhard bemüht.
B :sonders sympathisch wirkt ein anonymes Plakat,
das einen österreichischen und deutschen Infanteristen
zeigt, die sich beide Da-Capo-Zigaretten von Eckstein
■ mit der Marke „Unzertrennlich“ anzünden. Für andere
gewerbliche. Unternehmungen wurden auch wiederholt
erste Künstler eingespannt: Hohlwein fü r Zündhölzer
und für Kola-Dallmann, Louis Oppenheim für
S. Adam, Liebesgaben, füt Leibnitz Keks legt Hohl
wein zw T ei österreichische und einen deutschen Schützen
brüderlich nebeneinander in den winterlich einge
schneiten Schützengraben. Auf W. Brömels Spiel-
zeugausstellung walken zwei deutsche und österreichi
sche Holzsoldaten einen hölzernen Franzosen durch,
Jacoby-Boy macht Reklame für Militärstiefel, ein
Agent für den Schaumwein Feist-Feldgrau zeigt , sein
Eisernes Kreuz und für einen Hm denbürg-Li kör muß
gar eine satyrische Landkarte Europas herhalten.
(Schluß folgt.)