MAK
Seite 202. 
Internationale Sammler-Zeitung. 
riummer 13. 
in Gegenden, die es einmal erobert hat, schicer wieder zu 
uerdrängen sein dürfte, flm liebsten entwickelt es sich auf 
Gartenland, oder, wie Mercurialis annuus auf Karfoffel- 
und Rübenäckern, die nicht durch wiederholtes Behacken 
rechtzeitig uom Unkraut freigehalten werden, und hier eben 
spielt sich auch der Kampf zwischen beiden Pflanzen ab, 
der immer mehr mit der Zuriickdrängung des mercurialis 
endet. 
Wir kennen noch Diele andere Gindringlinge, die sich 
bei uns reichlich auf Kosten der einheimischen riora ent 
wickelt haben, so die kleine, schattige, fruchtbare Orte der 
Gbene beuorzugende Impatiens parvillora, ferner die an 
Dämmen und namentlich an solchen in flufjtälern oerbrei 
teten Rachtkerzenarfen (Oenothera), das den ödesten Plätjen 
an Gisenbahndämmen usw. eigene und den letzteren fol 
gende kanadische Berufskraut (Erigeron eanadense). Um 
gekehrt haben sich auch europäische Pflanzen in anderen 
Weltteilen angesiedelt; fast überall, wo der Guropäer hin 
gekommen ist, haben sich beispielsweise Brennesseln ein 
gefunden, und das Vorkommen Don Brennesseln an der 
Küste Grönlands bei ihrer Gntdeckung in der neuzeit wird 
mit Recht als ein Zeichen dafür angesehen, dafj bereits 
früher dort Siedelungen oon Guropäern bestanden haben. 
Die Brennessel ist eben eine Pflanze, die in fast jedem 
Klima oorkommt, wenn ihr nur guter Boden zur Verfügung 
steht; besonders liebt sie die menschlichen Ansiedelungen 
mit ihren reichlichen, stickstoffhaltigen Abfällen. 
Auch die Wegebreifarten sind dem lllenschen über 
den Ozean gefolgt, und der Indianer nennt sie „die Pflanzen 
des weiten Klannes“, weil sie mit dem Weiten immer weiter 
oon Osten nach Westen oordringen. In Japan, an manchen 
Stellen Amerikas ist die heimische flora fast oerdrängt 
durch europäische Ginwanderer, so sollen um Buenos Aires 
fast Y, der dort oorkommenden Pflanzen europäischen 
Ursprungs sein und zumeist dem ITlittelmeergebiet ent 
stammen. Dafj solche ITlasseneinwanderungen den Charakter 
einer flora oollständig oerändern können, braucht nicht erst 
besonders heroorgehoben zu werden. 
»K3 
Eine Banbonnierensammlung. 
Im ITluseum „Galliern“ zu Paris ist zur Zeit eine Sammlung 
uon Bonbonnieren zu sehen. 6s handelt sich natürlich um 
historische Stücke, die uns in die Zeit der großen Reoolution und 
des Empire zurückführen. Der Besitzer ist ein Herr Quentin- 
Bouchard, der dadurch zum Sammeln angeregt wurde, dafj er 
im Hachlaß seiner Großmutter eine sehr hübsche Bonbonniere fand. 
Sie zeigte auf dem «erblichenen kartonnierten Deckel eine kleine 
flquarellszene, einen Reiter, der sich uom Pferde niederbeugt, um 
aus der Hand der neben ihm stehenden Dorfschönen einen Trunk 
entgegenzunehmen. Das Bildchen entstammte der Zeit des ersten 
Kaiserreiches. 
Über die interessante Kollektion ßouchard, - sie umfafjt 
44 Stücke läßt sich der „Tag“ mitteilen: Chronologisch geordnet 
liegen die Bonbonnieren da. Zuerst die winzigen, zierlichen Gebilde, 
die den Schreckenstagen der Reoolution uorausgingen. Kleine Kunst 
werke aus geschnißtem Rosen- und Zedernholz, aus Elfenbein und 
Schildpatt, aus Gold- und Silberfiligran, Büchschen aller formen, 
Herzen, Kreise, Tiebesknoten, einzelne große Blüten, ITlandalinen, Gon 
deln, kurz alle Gestalten, wie sie die französin heute noch unter der 
Bezeichnung „Bonbonniere“ besißt. Sie sind manchmal gemalt 
oder eingelegt, mit zierlichen Schäfergruppen, in dem ewig 
lächelnden idealisierenden Geschmack der Zeit. Es liegt ein Duft 
d rauf, als ob er uom Hofe des sechzehnten Tudwig zu uns 
heriiberweht. Ihnen schließen sich ungefüge Schachteln an, mit 
grotesken figurert bemalt, Karrikaturen, die hineinpassen in den 
Rahmen des terrorisierten Paris, aus dem Schönheit und Anmut 
entschwunden und in dem alles die Übereinstimmung mit dem 
grob gewordenen Geschmack, den abgestumpften Gefühlen wahrte. 
Allmählich, da, wo die Schachteln und Kästchen spätere Daten 
fragen, erscheinen zartere Zeichnungen, schraffierte Bildchen und 
Stiche mit unkarrik'erten Porträten aus dem Ende des 18. und 
dem Anfang des IQ. Jahrhunderts. Die Bilder der Königsfamilie 
und uieler anderer, in den Schreckenstagen hingerichtefer bekannter 
Persönlichkeiten zieren sie. Ein seltsames Zeichen des Zeit 
geschmacks, eines Geschmacks, der sich doch in der Sucht nach 
„Akfualiät um jeden Preis“ nicht wesentlich oon dem unserer Zeit 
unterscheidet. 
Später mischen sich wieder mehr Phantasiegestaltungen 
zwischen die schlichten Holzkästchen, Geflochtene Körbe mit bunten 
Bändern durchzogen, Buchaftrapen, kleine Hachbildungen oon 
Kunstwerken, deren Sockel die Bonbonniere birgt; mit Riesen 
schritten legt die Kunst der Bonbonnierenfabrikanten den Weg zu 
einem Tuxus zurück, den auch die übermütigsten Zeiten oor der 
Reoolution nicht kannten. Unter Glasglocken sehen wir silberne 
filigranuögel schweben, eine schwergoldene, mit Steinen einge.egte 
Kaiserkrone oder ein kaiserlicher Adler beschweren auf samtenem 
Kissen die Bonbonniere; anale, runde, seltsam nieleckige Kästchen 
zeigen auf ihren Golddeckeln die Emaillebildnisse der kaiserlichen 
familie einzeln oder zu Gruppen nereinigt. Teere Stellen bezeichnen, 
wo einst die Edelsteine, mit denen man es liebte, diese Bonbon 
nieren zu zieren, ausgebrochen wurden. 
Eine solche ziemlich umfangreiche Kassette zeigt in einem 
Kranz oon Corbeerblättern eine entzückende ITliniafur des Königs 
uon Rom Huch naiue formen, Diabolos, wie heute wieder, zieren 
die Bonbonnieren; andere lassen durch eine Drehuorrichtung allerlei 
bunte Bilder über eine ITlondscheibe gleiten, die kunstooll zwischen 
gemalten Wolken ruht; spätere Epochen ueisehen sie mit sentimen 
talen, rührenden Bildchen, Jungfrauen, die mit gerungenen Händen 
unter Trauerweiden, uor einem Hintergründe oon Urnen und ge 
brochenen Säulen sichtbar werden; phantasiereichen Gruppen 
bildern, zu denen die Unterschriften, die ihnen oielleicht dieselbe 
Hand gab, die die Schachteln mit Süßigkeiten füllte, nicht immer 
stimmen wollten. 
Um 1850 tauchen orientalische Anklänge auf. Indische und 
chinesische Embleme werden oiel oerwendet, besonders der Drache 
ist ein gern gesehener Gast. Unter den 44 historischen Bonbon 
nieren uerdient oor allem die der Geburt des Herzogs oon Bordeaux 
,.T/enfat du Miracle“ geweihte, Aufmerksamkeit. Huf ihrem schnee 
weißen glatten Umwandungen trägt sie die ITamen aller königs 
treuen großen Vertreter der orleanistischen Sache jener Zeit. Seite 
an Seite ruht sie mit der Bonbonniere Charles X., deren giroffen- 
geschmückter Deckel nur durch ein Eckmappen in Verbindung mit 
dem Herrscher steht, der ihr den Hamen gibt; nicht weit oon der 
Elfenbeinkassette, die als Behälter für Berlingots (eine Art oon 
Karamellen) das ITTiniafurporträt des Prince Imperial (Sohn Tlapo- 
leons 1:') auf dem mittleren felde des schräg gestreiften trikoloren 
Deckels trägt, und nicht weit endlich oon der Taufbonbanniere des 
Prince Gamelle.
	        
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